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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
Seite - 134 -
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134 | www.limina-graz.eu Hans-Joachim Sander | Gebrochenes Ver(-)sprechen keit erfährt, reagieren andere auf das Offenbarwerden einer Scham nicht mit Respekt. Man distanziert sich eher, um nicht angesteckt zu werden. Während Schuld die Souveränität einer Person antastet und durchlöchert, die sich ihr aber deshalb aus eigener Freiheit stellen kann, um sich zu ver- bessern und so aus den nagenden Verfehlungen zu befreien, kippt Scham die Souveränität einer Person derart um, dass keine innere Befreiung von diesem Problem oder der ihr zugrunde liegenden Erfahrung weiterhilft, sondern nur die öffentliche Unterwerfung unter den unwiederbringlichen Verlust der Souveränität. Wer sich schämt, muss daher stets befürchten, dass etwas ruchbar wird, was die eigene Person in ständigen Misskredit bringt. Das gilt für die Opfer auch dann, wenn der Grund dafür klar in der Schuld von Tätern zu suchen ist. Ganz anders ist es bei der Schuld, die vom eigenen Inneren her lediglich peinigt, sich zu entsühnen, also die Schuld zu überwinden und sich zu entschuldigen. Das „lediglich“ ist hier angebracht, weil die Ohnmacht der Scham weit dorniger ist als jene der Schuld. Selbst in der hochkirchlichen Liturgie wird Schuld glücklich gepriesen, während Scham, obwohl biblisch sehr präsent (dazu jetzt angekündigt: Grund-Wit- tenberg/Poser 2018) und liturgisch sehr wohl diskret bedeutsam (Fechtner 2015), nicht angesprochen wird. Es gibt wegen dieser scharfen Differenz von Scham und Schuld den Vorschlag, damit kulturelle Muster zu unterscheiden, die sich beide auf das öffentliche wie private, das politische wie das wirtschaftliche Verhalten bis in die Kapillare hinein auswirken. So hat Ruth Benedict nach dem Zweiten Weltkrieg vorgeschlagen, Scham- von Schuldkulturen zu unterscheiden (Benedict 2006). Das war damals keine abstrakte Überlegung, sondern aus der Not geboren. Es speiste sich aus der Überraschung der USA, wie ex- trem anders Japaner kämpften, wie gnadenlos sie in Siegen verfuhren, aber auch wie schnell sie sich mit der endgültigen Niederlage abfanden und neu anfingen. Benedict gehörte zu denen, die das ethnologisch und intellektuell aufarbeiten und erklären sollten; das war alles andere als leicht, standen doch während des Krieges keine Möglichkeiten für Feldforschung zur Ver- fügung. Gleichwohl war Benedict für diese Aufgabe wie prädestiniert, weil sie schon zuvor in New York die relative Bedeutung von patterns of culture, kulturellen Verhaltensmustern, erkannt hatte. Diese Muster lassen sich nicht überall feststellen, so als gäbe es eine für alle Menschen gemeinsam Anhand der scharfen Differenz von Scham und Schuld lassen sich kulturelle Muster unterscheiden.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 1:1
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
1:1
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
236
Kategorien
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