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Kurt remele | Christliche Kakistokratie
Ratgeber-Autors Norman Vincent Peale (1898–1993). Zu dessen Gottes-
diensten in der Marble Collegiate Church in Manhattan haben Trumps Eltern
den jungen Donald regelmäßig mitgenommen (Baer 2010, 581–582; Reme-
le 2017; Percy 2018). Heute zeigt Trump große Sympathien für das Wohl-
standsevangelium (Prosperity Gospel). Eine der führenden Repräsentantin-
nen dieser unorthodoxen Glaubensrichtung, Pastorin Paula White, sprach
eines der Gebete bei Trumps Inauguration und gilt als enge Vertraute des
Präsidenten.
Von Norman Vincent Peale hat Trump gelernt, dass man nur dann der
Größte und Beste sein kann, wenn man sich darum bemüht, negative Ge-
danken durch positive zu ersetzen. Peale predigte eine praktisch anwend-
bare Theologie und stieß damit auf große Resonanz. Seine Kirchengemeinde
wuchs rasant an. 1952 erschien jenes Buch, das Peale zu einem der bekann-
testen Seelsorger der USA und einem Best- und Longseller-Autor machte:
Die Kraft positiven Denkens (Peale 2011; George 1993). Peales Verständnis
geistlicher Beratung bestand im Wesentlichen darin, konkrete Lebenspro-
bleme der Menschen, sehr häufig von Geschäftsleuten, durch die Auffor-
derung zu positivem Denken zu lösen. Dazu dienten formelhafte Vorsatz-
bildungen und ermutigende Sinnsprüche, für die Peale die Bibel heranzog.
In Die Kraft positiven Denkens schildert Peale, wie er bei einem von Selbst-
zweifeln und Ängsten geplagten Geschäftsmann folgende Kriseninterven-
tionstechnik anwandte: Ab sofort, vor allem vor dem Einschlafen und nach
dem Aufwachen, sollte sich der leidende Manager folgende Bibelstelle aus
dem Philipperbrief aufsagen: „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft
gibt“ (Phil 4,13). Wer also sein ramponiertes Selbstwertgefühl durch die
autosuggestiv vermittelte Macht Gottes stärke, dürfe sich über steigende
Umsätze in seinem Unternehmen freuen. Reverend Peale und seine Nach-
folger, die Prediger und Predigerinnen des Prosperity Gospel, vertreten die
Auffassung, dass ihr praktisches Christentum zu Erfolg im Wettbewerb und
steigendem Vermögen, zu individuellem Wohlstand und beneidenswertem
Luxus führen würde. Die Frohe Botschaft der Geschwisterlichkeit und des
Teilens wird zu einem Evangelium individueller Prosperität umgedeutet. Aus
theologischer Sicht stehen sowohl Peales Positives Denken als auch das
Wohlstandsevangelium unter dringendem Verdacht, die christliche Religi-
on zu banalisieren und zu instrumentalisieren: Der Glaube an Gott und das
Biographische Details aus Trumps Leben verweisen auf eine Nähe zum ‚Positiven
Denken‘ des New Yorker Pastors und Ratgeber-Autors Norman Vincent Peale.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 194
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven