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Kurt remele | Christliche Kakistokratie
Buddhas, das (neu)heidnische bzw. Wicca-Fest der December Solstice (Win-
tersonnenwende) sowie Kwanzaa, das 1966 eingeführte kulturelle Fest der
Afroamerikaner.
Donald Trump hat sich wiederholt dafür ausgesprochen, dass zu Weih-
nachten wieder ausschließlich Merry Christmas gewünscht werde, und sich
damit als Retter der christlichen Tradition stilisiert. Das ist eine Rolle, in
der er sich wohlfühlt und die ihm viele evangelikale Wählerstimmen bringt.
Dabei ist Trump „im Hinblick auf Temperament, Verhalten und offensicht-
liche Glaubensüberzeugungen die seit Menschengedenken am wenigsten
christliche Persönlichkeit, die das Präsidentenamt ausübt“ (Gerson 2018,
46).
Christentum:
Glaubwürdigkeitsverlust und Obskurantismusverdacht
Die USA haben sich von einem Land, in dem weiße, protestantische, hetero-
sexuelle Männer das Sagen hatten, zu einer multiethnischen und religions-
pluralen Gesellschaft gewandelt, in der die Menschenrechte der indigenen
Bevölkerung und der Afroamerikaner, der Frauen und der LGBTIQ+1-Ge-
meinschaft nicht mehr salopp ignoriert werden dürfen. Viele evangelikale
und fundamentalistische Christinnen und Christen fühlen sich durch die-
se Veränderungen kulturell und religiös an den Rand gedrängt, von ihren
Mitbürgerinnen und Mitbürgern verachtet und belächelt. Diese negative
Selbsteinschätzung und die damit einhergehende Selbstbemitleidung sind
der Hintergrund, auf dem sich Trump als hehrer Retter des traditionellen
Christentums inszeniert. Nach Trump ist das Christentum „in einem Bela-
gerungszustand“, und er „stellt die Evangelikalen beharrlich so dar, wie sie
sich selbst sehen: als schlecht behandelte Minorität, die einen Verteidiger
braucht, der nach den Spielregeln dieser Welt agiert“ (Gerson 2018, 51).
In einer Rede an der von Jerry Falwell Sr. gegründeten und von Jerry Fal-
well Jr. geleiteten Liberty University im Bundesstaat Virginia empfahl er sei-
nen Zuhörerinnen und Zuhörern, Gefallen an der Vorstellung zu finden,
Außen seiter zu sein, und diese Charakterisierung zu akzeptieren. Gleich-
zeitig forderte er sie auf, ihn, Trump, als ihren Beschützer und Fürsprecher
1 „When we use the term ‚LGBTIQ+‘,
we are referring to people who iden-
tify as Lesbian, Gay, Bisexual, Trans-
gender, Intersex, Questioning and
other gender non-conforming iden-
tities.“ (Richmond Wellbeing 2017)
In einer multiethnischen und religionspluralen Gesellschaft inszeniert
sich Donald Trump als Retter des traditionellen Christentums.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 194
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven