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Franz Gmainer-Pranzl | â... mit dem menschengeschlecht und seiner Geschichte wirklich innigst verbunden ...â
der Anerkennung und Folge eines durchaus schmerzlichen Lernprozesses,
nicht ein beziehungsloses âmultikulturellesâ Nebeneinander:
âWenn ĂŒberhaupt von einer authentischen UniversalitĂ€t gesprochen
werden kann, so liegt diese darin, miteinander teilen zu können und sich
in Beziehung zu wissen oder Teil zu sein von, wobei man darauf ver-
zichtet, die UniversalitÀt mit eigenem Namen unterschreiben oder sie als
(vermeintliche) TotalitĂ€t vorstellen zu wollen.â (Palanca 2008, 156)
Authentische UniversalitÀt ist also weder vorgegebene UniformitÀt noch
gleichgĂŒltige PluralitĂ€t, sondern Folge eines Prozesses des Teilens und In-
Beziehung-Tretens, ohne den auch eine noch so ausgeprÀgte Internatio-
nalitĂ€t nicht jenen Anspruch verkörpert, den âeine weltumfassende Kirche,
die Menschen unterschiedlichster Hautfarbe, Geschichte, Kultur, Tradi-
tion, Eigenart, Welt-Sicht und Welt-Anschauung mit unterschiedlichstem
Denken und Erleben unter einem gemeinsamen Dach verbindetâ (GlĂ€ss-
gen 2012, 512). Wesentliche BeitrÀge zu dieser qualitativ anderen Form von
UniversalitÀt, die sich nicht als kumulative InternationalitÀt, sondern als
Konsequenz eines polylogen Prozesses versteht, haben Ăberlegungen der
interkulturellen Philosophie geleistet, wobei hier vor allem auf das Kon-
zept von RaĂșl Fornet-Betancourt hinzuweisen ist. Die von ihm explizierte
âIdee der UniversalitĂ€t im Sinne eines regulativen Programmsâ (Fornet-
Betancourt 1997, 105) geht von einem vielfÀltigen Prozess des Austau-
sches, der VerstĂ€ndigung und der Argumentation aus; sie ist âneu, weil sie
weder durch Expansion noch durch Invasion als Ordnung der MĂ€chtigen
aufgezwungen wird, sondern durch die geduldige Arbeit an VerhÀltnissen
der ausgleichenden Kooperation und SolidaritÀt als ein unsicheres, offenes
Projekt entstehtâ (Fornet-Betancourt 2013, 55). Es geht um âeinen Prozess
der UniversalitĂ€t, der sich als eine kritische Alternative zum âGlobalismusâ
der neoliberalen Globalisierung erhebtâ (ebd., 70), dem Fornet-Betancourt
einen âMangel an UniversalitĂ€tâ (ebd., 72) attestiert, weil dieser Globalis-
mus die Expansion eines partikulÀren VerstÀndnisses von Welt und Mensch
mit der reziproken, polylogen und responsiven VerstÀndigung zwischen
Menschen aus unterschiedlichen âWeltenâ verwechselt. Aber weltkirchliche
Verbundenheit (eine âKirche aus allen Völkernâ) meint nicht âeine Form
von UniversalitĂ€t, die ein wenig verlegen ein TotalitĂ€tssystem verhĂŒlltâ
(Tracy 1997, 400), sondern eine Verbundenheit ĂŒber jene Grenzen hinweg,
die die Menschheit durchschneiden.
UniversalitÀt entsteht durch einen Prozess des Teilens und In-Beziehung-Tretens.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 194
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven