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rita Perintfalvi | Widerstand gegen rechtspopulismus im namen der Zivilisation der liebe
Die Volksfremden werden schnell zu Verrätern gestempelt, die den Fort-
bestand der Nation gefährden. So wird der Kampf gegen sie sogar mit Ag-
gressivität und Gewalt erlaubt. Zu den zu bekämpfenden Volksfremden
gehören auch die Andersdenkenden, die SystemkritikerInnen, diejenigen,
die solch dämonisierten Gruppen wie Obdachlosen, ethnischen, religiösen
und sexuellen Minderheiten Hilfe leisten. Natürlich war es kein Zufall, dass
auch die Geschlechterforscherinnen als Feindinnen der Nation attackiert
wurden, die sich mittels wissenschaftlicher Methoden für den Schutz der
Menschenrechte, die Gleichwertigkeit der Geschlechter und überhaupt für
die offene Gesellschaft einsetzten.
Anti-Gender-Debatte und Attacke gegen die Autonomie der Wissenschaft
Der Wunsch nach Homogenität betrifft auch die Beziehungs- und Famili-
enmodelle bzw. das Denken über die Geschlechterrollen. Genau an diesem
Punkt entstehen Konflikte zwischen Rechtspopulismus und dem Grund-
konzept der Geschlechterforschung bzw. Gender Mainstreaming als po-
litischer Strategie. In den letzten Jahrzehnten hat ein Prozess begonnen,
den heftige Angriffe gegen die sogenannte „Gender-Ideologie“ und den
„kulturellen Marxismus“ im Großteil von Europa sowie gegen „political
correctness“ in den USA prägen. Gender wurde bei dieser Debatte zu einem
Feindbild, durch das die Akteure der Anti-Gender-Bewegung viele Men-
schen mobilisieren konnten.
Viele Menschen widmen diesen Geschehnissen zu wenig Aufmerksamkeit,
einige denken sogar, es gehe hier nur um eine „Frauenfrage“, für die viele
kein Interesse (mehr) haben. In der Tat geht es bei dieser Debatte aber nicht
bloß um eine klassische konservative backlash-Bewegung gegen gender
equality und LGBTQ equality, sondern um viel mehr: gender is a symbolic glue.
Der Prozess bedroht den nach dem Zweiten Weltkrieg auf der Grundlage
der Menschenrechte entstandenen politischen Konsens. Für die illiberalen
politischen Akteure wurde der Begriff „Gender-Ideologie“ zu einer Meta-
pher der Unsicherheiten und Ungerechtigkeiten, die sich aus der aktuellen
gesellschaftlich-wirtschaftlichen Situation ergeben. Der Begriff Gender
wird zu einem Begriff, in dem sich viele Sorgen und Ängste verdichten, die
Am Begriff Gender verdichten sich Sorgen und Ängste, die sich aus
der aktuellen gesellschaftlich-wirtschaftlichen Situation ergeben.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 194
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven