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Şenol Yaĝdı | Von der Bildungsferne zum Bildungsaufstieg
gung gestellten Ressourcen, die einem Bildungsaufstieg förderlich sind, als
eine Form inkorporierten kulturellen Kapitals verstanden werden.6
Obwohl Kinder mit Migrationshintergrund aus bildungsfernen Familien im
Sinne der Bourdieu’schen Kapitaltheorie mit einem geringen Kapital aus-
gestattet sind, verdeutlichen zahlreiche Studien, dass Migrantenfamilien
sehr wohl auf den Bildungserfolg ihrer Kinder setzen. Es sind jene „Hoff-
nungen auf eine bessere Zukunft, die mit einem Migrationsprojekt ver-
bunden sind“ (Gogolin 2008, 48), die dazu beitragen, ihnen einen sozialen
Aufstieg zu ermöglichen. Da die Eltern große Bildungserwartungen in ihre
Kinder setzen, wird ihnen eine positive Einstellung zur Schule vermittelt.
Perspektivenwechsel:
Von der Defizit- hin zur Ressourcenorientierung
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sind insbesondere in
Schulen und anderen Bildungseinrichtungen häufig mit einer problem-
zentrierten Haltung konfrontiert. Da die Migrationsforschung in erster
Linie von einem Problemdiskurs (Bildungsferne, Kultur- und Moderni-
tätsdifferenz, Identitätskonflikte, traditionelle Weltbilder) ausging, wur-
den „Potentiale, Chancen und Erfolge weitgehend“ ausgeblendet (Pott
2006, 47). Die Mechanismen des Bildungserfolgs blieben unerforscht und
die „gegenwärtigen Bildungsaufstiegsprozesse in der zweiten Migranten-
generation erklärungsbedürftig“ (ebd.).
Die defizitorientierten Ansätze haben wichtige Voraussetzungen einer
Weiterentwicklung der Forschung über Kinder und Jugendliche der zweiten
Generation mit Migrationshintergrund geliefert. Als besonders relevant
erscheinen in diesem Kontext jene Studien zur Ursachenforschung des Bil-
dungserfolgs bzw. -misserfolgs, welche die Reproduktion der sozialen Un-
gleichheit analysieren (vgl. Nauck et al. 1998; Gogolin/Nauck 2000; Stanat
2006; Diefenbach 2010; Maaz et al. 2014).
Im Gegensatz zu einer Vielzahl defizitorientierter Studien, deren Fokus auf
Erklärungsmodellen für die empirisch beobachtbaren Nachteile von Kin-
dern bzw. Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Bildungssystem
liegt, weisen als Gegendiskurs zahlreiche Untersuchungen nach, dass An-
gehörigen dieser sozialen Gruppe ein Aufstieg im Bildungssystem gelingen
kann (vgl. Badawia 2002; Pott 2002; Hummrich 2002; Gültekin 2003; Göl-
bol 2007; Juhasz-Liebermann/Mey 2003; Ofner 2003; Raiser 2007; Niehaus
2008; Tepecik 2011; Mafaalani 2012; Schwendowius 2015; Gerhartz-Reiter
ist zu berücksichtigen, dass es sich
hierbei um jene Einflussfaktoren
handelt, die aus der Perspektive der
Studierenden für ihren Bildungsauf-
stieg als relevant gelten. Daher kann
kein Anspruch auf Verallgemeiner-
barkeit erhoben werden. Darüber
hinaus sei darauf hingewiesen, dass
die vorhandenen Defizite seitens des
Elternhauses (Informationsdefizite
über das Schulsystem, idealistische
Bildungsaspirationen ohne konkrete
Unterstützung) keinesfalls in Abrede
gestellt werden.
6 Der Untersuchung wird, wie er-
wähnt, eine nichtdeterministische
Interpretation Bourdieus zugrunde
gelegt, die auch die aktuelle sozial-
bzw. bildungswissenschaftliche For-
schung an der Schnittstelle von Mi-
gration und Bildung vermehrt auf-
greift. Rieger-Ladich bemerkt dazu:
„Der immer wieder neu formulierte
Verdacht, Bourdieu vertrete einen
deterministischen soziologischen
Ansatz […], erweist sich als nicht
gerechtfertigt. Er verkennt nicht nur
den Status des habitusgenerierten
Handelns; […] er operiert darüber
hinaus mit einem metaphysischen
Freiheitsbegriff […] und interpretiert
den Sonderfall der Homologie von
Habitus und Feld zu Unrecht als Re-
gelfall.“ (Rieger-Ladich 2005, 292)
Darüber hinaus ziehen die folgenden
AutorInnen das Habituskonzept
zur Erklärung habitueller Trans-
formationsprozesse im Kontext von
Bildung und Migration heran: Raiser
2007, Niehaus 2008, Tepecik 2011,
Mafaalani 2012, Nohl et al. 2015.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven