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Şenol Yaĝdı | Von der Bildungsferne zum Bildungsaufstieg
2017). Diese Studien distanzieren sich von einer dichotomen Perspektive
auf MigrantInnen, indem sie sich mit einem differenzierten qualitativen
und ressourcenorientierten Ansatz den subjektiven Deutungs- und Hand-
lungsmustern bildungserfolgreicher Personen mit Migrationshintergrund
annähern.
Die Kinder bzw. Jugendlichen mit Migrationshintergrund rücken als han-
delnde Subjekte ins Zentrum. Dies bedeutet die Anerkennung der Potenzia-
le und Möglichkeiten der zweiten Generation, durch individuelle Anstren-
gung und familiäre Unterstützung einen sozialen Aufstieg zu schaffen. Der
Fokus liegt hierbei auf den Erfolgsfaktoren bzw. -determinanten indivi-
dueller Bildungskarrieren im heimischen Bildungssystem. Einen zentralen
Aspekt bildet die Frage, wie es bildungsfernen Eltern gelingt, ihre Kinder in
deren Bildungslaufbahn zu unterstützen.
Habitustransformation und Bildungsaufstieg
In einer modernen dynamischen Gesellschaft sind junge Menschen ge-
fordert, sich an gesellschaftlichen Veränderungen zu orientieren. Der im
Elternhaus erworbene Habitus kann daher nicht statisch sein, sondern er
muss auf sich verändernde Umstände reagieren können (vgl. Niehaus 2008,
49). Dies bedeutet nicht einen vollkommenen Verhaltenswandel, sondern
die Fähigkeit, die eigenen Dispositionen an neue Bedingungen anzupassen.
Eine solche Habitustransformation ist ein langer und schwieriger Prozess,
der nicht linear verläuft, sondern durch Umwege und Brüche gekennzeich-
net ist. Diese Umbruchserfahrungen können sich jedoch in biographische
Ressourcen für einen Bildungsaufstieg verwandeln. Der Umstand, dass die
Bildungswege vieler Studierender nicht geradlinig verlaufen sind und sie
mit Herausforderungen und Umbrüchen konfrontiert waren, zeugt von de-
ren ausgeprägter Ausdauer und Bereitschaft, für ihren Bildungserfolg zu
kämpfen und sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen. Darin ist
die Befähigung zu großer Flexibilität und Reflexivität erkennbar, die Ju-
hasz-Liebermann und Mey (2003, 330) als „sense of one’s way“ bezeich-
nen. Dies ist für den Aufstiegshabitus7 typisch und stellt eine biographische
Ressource dar.
Ressourcenorientierte Studien anerkennen die Potenziale und Möglichkeiten
der zweiten Generation, einen sozialen Aufstieg zu schaffen.
7 BildungsaufsteigerInnen weisen
einen spezifischen Aufstiegshabitus
auf, der sich dem Habitus höherer
Milieus annähert, aber gleichzeitig
Bezüge zum im Elternhaus erworbe-
nen Habitus hat.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven