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Şenol Yaĝdı | Von der Bildungsferne zum Bildungsaufstieg
gezeigt werden, dass Bildungsaspirationen allein nicht ausreichen, wenn
keine konkreten Fördermaßnahmen zum Tragen kommen.
Besonders kritisch stellt sich die Situation dar, falls neben fehlenden För-
dermöglichkeiten kaum Bildungsaspirationen vorhanden sind. Die be-
fragten Studierenden haben die fehlende Unterstützung durch die Eltern
kritisch reflektiert, wenngleich sie rückblickend teilweise Verständnis für
deren migrationsbedingte Einschränkungen zeigten.
Ein weiteres Manko besteht darin, dass bildungsferne Eltern oft nicht über
ausreichende Kenntnisse der unterschiedlichen Schultypen oder Förder-
möglichkeiten in Österreich verfügen, sodass sie keine informierten Bil-
dungsentscheidungen für ihre Kinder treffen können. Das stellt diese wie-
derum vor die Herausforderung, Bildungsentscheidungen selbstständig zu
treffen (vgl. Yagdi 2019, 231).
Migrationsspezifisches kulturelles Kapital und Transmission
von Bildungsaufträgen
Es hat sich gezeigt, dass hohe Bildungsaspirationen im Elternhaus eine
positive Voraussetzung des Bildungserfolgs von Kindern mit Migrations-
hintergrund darstellen, selbst wenn keine konkreten Unterstützungs-
leistungen seitens der Eltern möglich sind. Diese Bildungsaspirationen im
Elternhaus führen dazu, dass die Eltern den eigenen unerfüllten Aufstiegs-
wunsch an ihre Kinder delegieren (intergenerationale Transmission von
Bildungsaufträgen). Bildung wird in der Familie oft als ein Weg zur Status-
verbesserung gesehen und daher im Rahmen der Möglichkeiten gefördert.
In diesem Zusammenhang lässt sich ein migrationsspezifisches kulturelles
Kapital erkennen, das seinen Ursprung in den Migrationserfahrungen der
Eltern hat.
Inkorporierte Werte, Orientierungen und Aspirationen bilden eine wichtige
Grundlage eines Bildungsaufstiegs. Zum inkorporierten kulturellen Kapital
der Eltern zählt eine generelle Bereitschaft zu persönlichen Anstrengungen
und zum Verzicht zugunsten des Bildungserfolgs der Kinder, die aufgrund
der Migrationserfahrung tendenziell ausgeprägter ist als bei bildungsfer-
nen autochthonen Eltern (vgl. Raiser 2007, 182). Folglich weisen Eltern mit
Migrationshintergrund einen spezifischen Habitus auf, der sich auf ihre
Eltern mit hohen Bildungsaspirationen delegieren den
eigenen unerfüllten Aufstiegswunsch an ihre Kinder.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 222
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven