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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
Es geht um nicht weniger als um die Frage, ob kirchliche Verkündigung,
gewollt oder ungewollt, den derzeitigen weltweiten Trend zu autoritären,
antidemokratischen Politikstilen, Regierungsformen und Regimen stützt
oder ihre vielfältigen Möglichkeiten zu Extremismusprävention und sozia-
ler Integration nutzt sowie Widerstands- und Freiheitsräume eröffnet (vgl.
Strube 2021a; dies. 2021b; dies. 2021c).
Im Folgenden stelle ich zunächst die Relevanz sozialpsychologischer For-
schungen zu Vorurteilen, Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit,
rechts extremen Einstellungen und zu Autoritarismus als psychischer Prä-
disposition für die Erhellung zentraler Aspekte des Phänomens Funda-
mentalismus und daher auch für die theologische Fundamentalismusfor-
schung dar. In diesem Zusammenhang greife ich auch auf Ergebnisse eige-
ner qualitativ-empirischer Forschungen zurück. In einem zweiten Schritt
wende ich zentrale Erkenntnisse sozialpsychologischer Studien auf die
theologische Analyse rechtskatholischer Proteste im Zusammenhang der
Amazonassynode 2019 an, um die sich in ihnen niederschlagenden wie die
von ihnen bekämpften religiösen Stile klarer zu profilieren.
2 Zum Zusammenhang religiöser Stile mit Vorurteilen, Gruppen
bezogener Menschenfeindlichkeit und Autoritarismus
Zur Anwendung sozialpsychologischer Konzepte auf die Erforschung
christlich-religiösen Fundamentalismus
Die auf rechtskatholischen Websites vorgefundene Kombination religiös
fundamentalistischer und politisch extrem rechter Positionierungen – sei-
tens der meist pseudonym kommentierenden User*innen wie auch der Be-
treiber*innen, die sich journalistischen Maßstäben nicht verpflichtet se-
hen – legt Analysen auf der Basis der in der empirischen Sozialpsychologie
genutzten Konzepte zur Erforschung Gruppenbezogener Menschenfeind-
lichkeit (GMF; vgl. Heitmeyer)1 und rechtsextremer Einstellungen (vgl. De-
cker/Brähler 2006)2 sowie ihrer Bedingungsfaktoren, allen voran des Au-
toritarismus (s. u.), nahe. Methodisch können dabei kurze Userkommenta-
re sowie die von den Betreiber*innen mit klaren Wirkabsichten gesetzten
Stützt die kirchliche Verkündigung den Trend zu autoritären
Politikstilen oder eröffnet sie Widerstands- und Freiheitsräume?
1 Das auf Wilhem Heitmeyer zu-
rückgehende Konzept des Biele-
felder Instituts für interdisziplinäre
Konflikt- und Gewaltforschung
versteht gesellschaftlich virulente
Vorurteile als (variable) Symptome
eines Syndroms Gruppenbezoge-
ner Menschenfeindlichkeit, dessen
Kern eine implizit gelebte „Ideo-
logie der Ungleichwertigkeit“ bildet
(vgl. Heitmeyer 2002–2011; Zick/
Küpper/Berghan 2019, 55–64).
Damit macht das Modell den Zu-
sammenhang zwischen Vorurteilen
und expliziten rechten Ideologien
der Ungleichwertigkeit sichtbar.
2019 wurden folgende 13 GMF-Di-
mensionen untersucht: Rassismus,
Fremdenfeindlichkeit, Antisemitis-
mus, Muslimfeindlichkeit, Sexis-
mus, die Abwertung asylsuchender,
wohnungsloser, langzeitarbeits-
loser, homosexueller Menschen, von
Trans*menschen, von Menschen
mit Behinderungen, von Sinti und
Roma, sowie die Annahme, es solle
Etabliertenvorrechte geben (vgl.
Zick/Küpper/Berghan 2019, 58).
2 Die von Elmar Brähler und Oliver
Decker initiierten Leipziger Auto-
ritarismusstudien (bis 2016 Leip-
ziger Mitte-Studien; vgl. Decker/
Brähler 2020, 22) erheben regel-
mäßig rechtsextreme Einstellungen
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven