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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
sondern konnte auch sämtliche Facetten des Autoritarismuskonzepts
Theodor W. Adornos (1950/1995, 45–61) nachweisen (vgl. Strube 2018a,
23–26).3 Auf der Grundlage dieser qualitativen Untersuchungen lässt sich
die – freilich repräsentativ zu prüfende – Hypothese formulieren, dass
Autoritarismus als psychische Prädisposition eine wesentliche gemeinsa-
me Ursache sowohl für GMF und rechtsextreme Einstellungen als auch für
religiös fundamentalistische Haltungen sein könnte, dass sich Autoritaris-
mus also im politischen Bereich in extrem rechten und im religiösen Be-
reich in fundamentalistischen Einstellungen niederschlägt.
Gestützt wird diese qualitative Beobachtung durch quantitative Studien
der amerikanischen Psychologen Robert A. Altemeyer und Bruce Huns-
berger aus den 1990er-/2000er-Jahren, die mit einem gegenüber Adorno
von neun auf die ersten drei Faktoren verkürzten Autoritarismus-Konzept
Zusammenhänge zwischen religiösem Fundamentalismus, Autoritaris-
mus (Right Wing Authoritarianism) und Vorurteilen erforscht haben (vgl.
Altemeyer/Hunsberger 1992; dies. 2005). Die Annahme, dass „Fundamen-
talismus als die religiöse Manifestation von Autoritarismus“ (Hall et. al.
2010, 134; Übersetzung: Strube) interpretiert werden könne, wird durch die
Meta-Studie von Hall et. al. (2010) bestätigt und dahingehend präzisiert,
dass Zusammenhänge zwischen Fundamentalismus und Vorurteilen aus-
schließlich auf Autoritarismus zurückzuführen sind (vgl. ebd. 133). Dieser
Spur ist aus meiner Sicht innerhalb der theologischen Fundamentalismus-
forschung noch intensiver nachzugehen.
„Religion makes and unmakes prejudice“ (Allport):
Sozialpsychologische Studien zu Religiosität und Vorurteilen
Die Frage nach dem Einfluss von Religion und Religiosität auf Vorurteile
sowie auf rassistische und rechtsextreme Einstellungen wurzelt in den das
Aufkommen des Faschismus in Europa analysierenden Studien der Frank-
furter Schule (Erich Fromm, Theodor W. Adorno) und begleitet die sozial-
psychologische Vorurteilsforschung bis heute. Die Diskrepanz zwischen den
explizit universalistischen moralischen Ansprüchen zentraler biblischer
Texte, für die sich viele christlich-religiöse Menschen engagieren, und den
auch unter regelmäßigen Kirchgänger*innen beobachtbaren rassistischen
Es lässt sich die Hypothese formulieren, dass Autoritarismus eine gemeinsame
Ursache politisch extrem rechter wie religiös fundamentalistischer Einstellungen ist.
3 Das Autoritarismus-Konzept
Adornos umfasst neben den alle
Autoritarismuskonzepte prägen-
den Merkmalen Konventionalis-
mus, Autoritäre Unterwürfigkeit (als
„Unterwerfung unter idealisierte
Autoritäten der Eigengruppe“), und
Autoritäre Aggression (als „Ten-
denz, nach Menschen Ausschau zu
halten, die konventionelle Werte
mißachten, um sie verurteilen, ab-
lehnen und bestrafen zu können“)
auch: Anti-Intrazeption als „Abwehr
des Subjektiven, des Phantasie-
vollen, Sensiblen“, Aberglaube und
Stereotypie, Machtdenken und Kraft-
meierei, Destruktivität und Zynismus,
Projektivität (als Projektion eigener
Aggression und als Verschwörungs-
denken) sowie eine „übertriebene
Beschäftigung“ mit Themen der
Sexualität (Adorno 1995, 45).
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven