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Sonja Angelika Strube | Antimodernismus als Autoritarismus?
im Kontext eines rechtskatholischen Angriffs auf religiös relevante Gegen-
stände anderer Kulturen zur Rechtfertigung von Gewalt gegen Sachen und
zu einer Täter-Opfer-Umkehr: Der Dieb und Sachbeschädiger wird als mu-
tiger, aber hoch gefährdeter, daher vom Erzengel Michael zu behütender
Kämpfer gegen Satan stilisiert. Dass mit Bonifatius und Michael ausdrück-
lich auf den deutschen Kulturraum bezogene Heilige als Kontrastfiguren
und Narrative herangezogen und im weiteren Verlauf von vielen User*in-
nen als solche weiterverwendet werden, verstärkt die ethnozentrische Note
der Kontrastierungen.
Als sich am 4. November 2019 unter dem Titel #Splashamama – „Warum
ich diese Figuren in den Tiber werfen musste!“ der Täter im kath.net-Inter-
view erklären darf, wird er in 83 von 84 Kommentaren gefeiert (nun auch
von petrafel), etwa als „wahrhaft katholischer Ritter“ (Hedwig v. Bever-
foerde) und „Prophet und Ritter unserer Zeit“ (adriano). In Anlehnung an
Donald Trumps Wahlspruch wird die Tat des Österreichers als „make
AUSTRIA great again“ (CALIFAX) bejubelt. In ausgeprägter Überhöhung der
Tat denkt eine Userin „an Willy Graf“ (kirchental), ein anderer User an den
„hl. Märtyrer Polyeuktos von Melitine“ (Zeitzeuge), eine dritte nennt den
Täter „treuer Daniel“ (lesa mit Bezug auf den biblischen Daniel). Alle drei
Vergleiche behaupten nicht allein einen vorbildlichen Glauben des Sach-
beschädigers, sondern suggerieren auch seine extreme Lebensbedroht-
heit, was keinerlei Anhalt an der Wirklichkeit hat. Damit verharmlosen
sie implizit – ähnlich wie es 2020 im Kontext von Querdenker-Kundge-
bungen die Selbstidentifikationen Protestierender mit Anne Frank bzw.
Sophie Scholl taten – echte Juden- bzw. Christenverfolgungen sowie die
Diktatur des Nationalsozialismus. Allein KurtK (am 5.11.2019) äußert „bei
allem Respekt“ Bedenken gegen das Versenken von Schwangerenfiguren
durch einen selbsterklärten Lebensschützer, wird aber alsbald von anderen
User*innen zurechtgewiesen.
Der Applaus für die Sachbeschädigung wird nun teilweise begleitet von zu-
sätzlichen Fantasien der User*innen darüber, wie in weiteren ähnlichen
Situationen mit vermeintlich heidnisch-häretischen Gegenständen um-
zugehen sei (vgl. z. B. Gambrinus am 4.11.2020: „Beim nächstenmal [sic!]
....... die Figuren bitte verbrennen und die Asche in den Wind streuen.“).
Es zeichnet sich die auf kath.net ĂĽbliche Radikalisierungsdynamik ab, die
Täter-Opfer-Umkehr und Verharmlosung
echter Juden- und Christenverfolgungen
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven