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Wolfgang Benedek | Religiöser Fundamentalismus aus menschenrechtlicher Sicht
5 Islamfeindlichkeit und Radikalisierung
Ausgrenzung, Rassismus, Diskriminierung und die Stigmatisierung von
Menschen können den Boden für eine Radikalisierung bereiten und zu Ex-
tremismus führen. Konkret bedeutet dies, dass eine Gesellschaft, die Men-
schen aufgrund ihrer Religion ausgrenzt, deren Radikalisierung befördern
kann. Aber auch historische Ungerechtigkeiten können bei der Radikali-
sierung eine Rolle spielen. Deradikalisierungsprogramme sind wesentlich
schwerer zum Erfolg zu bringen als Präventionsmaßnahmen etwa in Form
von Menschenrechtsbildung verbunden mit der Erfahrung gleicher Rechte
und Akzeptanz.
Die Grundrechteagentur der Europäischen Union hat seit 2006 mehrere Er-
hebungen zur Situation der Muslime in der EU durchgeführt und dabei in
den untersuchten EU-Ländern ein hohes Maß an Islamfeindlichkeit und
Diskriminierung von Muslimen festgestellt. So stellte eine Erhebung von
2012 fest, dass eine von drei Personen muslimischen Glaubens in den letz-
ten zwölf Monaten eine Diskriminierungserfahrung gemacht hat und eine
von zehn Personen Opfer eines rassisch motivierten Verbrechens gewor-
den war (vgl. EU Fundamental Rights Agency 2009). Ein Großteil, nämlich
80 Prozent, dieser Übergriffe wurde nicht gemeldet, weil entweder die be-
stehenden Möglichkeiten nicht bekannt waren oder sich die Betroffenen
davon zu wenig erwarteten. Eine Erhebung acht Jahre später zeigte wenig
Verbesserung, wobei festgestellt wurde, dass die Muslime generell loyal zu
ihrem Land stehen und seinen Institutionen grundsätzlich vertrauen. Die
Erfahrung der Ausgrenzung, Diskriminierung und Belästigung aufgrund
von Namen, Aussehen, Kleidung u. a. bis hin zu Hass und Gewalt kann je-
doch dieses Vertrauen beeinträchtigen. So fühlte sich eine oder einer von
drei MuslimInnen bei der Arbeitssuche diskriminiert. Die zweite Genera-
tion zeigt sich dabei kritischer als ihre Eltern (vgl. EU Fundamental Rights
Agency 2017, 7). In der Zwischenzeit ist in Österreich, aber auch in ande-
ren EU-Ländern der Druck auf die MuslimInnen gestiegen, was Probleme
des gesellschaftlichen Zusammenhalts verstärkt. Damit wird der Nährbo-
den für eine Radikalisierung Einzelner bereitet, während sich die Mehrheit
eher zurückzieht. Beides ist problematisch für den gesellschaftlichen Zu-
sammenhalt.
Die Ausgrenzung von Menschen kann
deren Radikalisierung befördern.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven