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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
Seite - 72 -
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72 | www.limina-graz.eu Christian Feichtinger | Reinheit und fundamentalistische Gefährdung 2 Reinheit – kulturanthropologische und sozialpsychologische Deutungen Reinheit und Unreinheit gehören zu den fundamentalen Grundkategorien menschlichen Denkens und Fühlens: Die Beschäftigung mit Schmutz, Ver- unreinigung und Ansteckung und das Empfinden von Ekel bzw. Abscheu gegenüber als gefährdend wahrgenommenen Substanzen sind tief im Menschen verwurzelt und entsprechend gut erforscht (vgl. Malinar/Vöhler 2019). Ich möchte argumentieren, dass in den Studien der Kulturanthropo- login Mary Douglas, speziell in ihrem Schlüsselwerk Reinheit und Gefähr- dung von 1966, ein bleibend aktuelles Deutungsmuster vorliegt, mit dem es auch möglich ist, fundamentalistische Dynamiken mit Hilfe der Kategorie Reinheit zu interpretieren. Douglas hat anhand von anthropologischen Studien gezeigt, wie eng Rein- heitsvorstellungen mit der menschlichen Kultur verknüpft sind, dass aber zugleich die Bedeutung solcher Vorstellungen in modernen, säkularen Ge- sellschaften nicht mehr richtig nachvollzogen werden kann. In letzteren erscheinen Reinheit und Unreinheit vor allem als Frage der Hygiene: Unser Denken darüber ist so sehr beeinflusst vom modernen Wissen über Bakte- rien und Krankheitserreger, dass „es heute schwerfällt, Schmutz anders als im Zusammenhang mit Pathogenese zu denken“ (Douglas 1985, 52). Doch sind Reinheit und Schmutz zunächst Kategorien von symbolischen Ord- nungssystemen, die mehr sind als bloße Hygiene: Lässt man, wie Douglas, die seit dem späten 19. Jahrhundert entwickelten Hygieneregeln außen vor, ergibt sich eine umfassende Definition von Schmutz als etwas, „das fehl am Platz ist“ (ebd.). Etwas ist nicht einfach Schmutz, sondern wird dazu erklärt, indem es gegen eine vorgegebene symbolische Ordnung der Welt verstößt: „Wo es Schmutz gibt, gibt es auch ein System. Schmutz ist das Nebenpro- dukt eines systematischen Ordnens und Klassifizierens von Sachen […] Schmutz ist etwas Relatives. Schuhe an sich sind nichts Schmutziges, sie werden aber dazu, wenn man sie auf den Esstisch stellt. Essen ist an sich nichts Schmutziges, es wird aber dazu, wenn man Kochgeräte im Schlaf- zimmer deponiert oder die Kleider damit befleckt. […] Kurz, unser Ver- Reinheitsvorstellungen sind eng mit der menschlichen Kultur verknüpft, doch ihre Bedeutung ist in modernen Gesellschaften nur schwer nachvollziehbar.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
4:1
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
224
Kategorien
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