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W. Weirer, J. Brunner und A. Gmoser | Professionell – missionarisch – an der Grenze zum Fundamentalismus?
einer direkten, wörtlichen und unveränderten Geltung der Urschrift bzw.
einer Urordnung“ (Scheilke 2010, 9) und damit einhergehend
„das Bemühen, an der eigenen Glaubenstradition und den eigenen
Glaubensüberzeugungen möglichst unverändert festzuhalten, ungeach-
tet der Infragestellung vor allem durch die moderne Wissenschaft, sei es
in Gestalt der Evolutionstheorie oder der historisch-kritischen Methode“
(Schweitzer 2015, 17).
Zum anderen sind fundamentalistische Strömungen geprägt durch einen
„gesetzesethischen Rigorismus“ (Scheilke 2010, 9), der sich in der Regel
jeder (Selbst-)Reflexion entzieht und geschichtlichen Kontextualisierun-
gen durch ein ahistorisches Selbstverständnis entgegensteht.
„Fundamentalisten deuten die Welt von einem bestimmten, unverrück-
baren Standpunkt aus und beschäftigen sich deswegen auffallend häufig
mit der Frage, wie der Mensch zu leben hat, was er tun darf und was er
unterlassen muss.“ (Edler/Schnack 2017, 7)
Religiöser Fundamentalismus wird auch heute noch immer wieder als kul-
turelle und spirituelle Abwehrreaktion auf Phänomene der Moderne ver-
standen, auch wenn fundamentalistische Bewegungen sich gerne moderner
(Kommunikations-)Technologien bedienen. Er stellt einen Antwortver-
such auf die befürchtete Bedrohung von Identität durch den Säkularismus,
der religiöse Wahrheitsansprüche zu unterminieren und religiöse Kultur zu
zerstören scheint (vgl. Scheilke 2010, 6), aber auch durch religiöse Plurali-
sierung oder durch andere Weltdeutungs- und Sinngebungskonzepte dar.
In der Abwehr wahrgenommener Marginalisierungen von Religion tritt
Fundamentalismus als religiös-soziale Bewegung in Erscheinung, die Re-
aktion auf den sozialen Wandel und auf Krisenerfahrungen in der Moderne
führt darüber hinaus zunehmend zu einer Politisierung von Religion (vgl.
Könemann 2013, 405–406).
Sozialpsychologisch wird religiöser Fundamentalismus nicht als eine be-
stimmte Form religiöser Lehren verstanden, sondern als religionsbezo-
gene Einstellung (vgl. Altemeyer/Hunsberger 2005, 379; Streib 2017, 41).
Eine der in den Sozialwissenschaften am meisten eingesetzten Skalen, um
Sozialpsychologisch wird religiöser Fundamentalismus
als religionsbezogene Einstellung verstanden.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:1
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:1
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 224
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven