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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
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31 | www.limina-graz.eu Irmtraud Fischer | Das Exodus-Paradigma Israels Welt erzeugende Erzählung der Befreiung aus der Sklaverei begann hingegen nicht mit zu befolgenden Vorschriften, die man nur strikt genug einhalten müsse, um befreit zu werden. Sie endete vielmehr mit der Ein- sicht, dass Freiheit konstruktive Regeln braucht, und ist daher unlösbar mit einem Befreiungsgeschehen verbunden, das Menschen nicht selbst her- stellen können. Wo aber der Wille zur Selbsterlösung dominiert, braucht es freilich keine Befreiung, keinen befreienden Gott und auch keine Men- schen, die einem aus ungeschuldeter Zuwendung bei der Meisterung des Lebens und seiner Abgründe zur Seite stehen. Man kauft sich dafür viel- mehr Kompetenz zu, wodurch sogar lebensbewahrende Hilfestellungen zur eigenen Leistung werden, da man sie ja bezahlt hat. Hartmut Rosa sieht unsere derzeitige Gesellschaft deswegen in massiver Bedrohung, weil die Weltbeziehungen der Menschen stumm geworden sind. Die verknüpfenden Ströme über die Resonanzachsen, die Individuen wie soziale Einheiten mit dem Transzendenten, mit den Mitmenschen, den Dingen, aber auch mit sich selbst verbinden, sind versiegt. Rosas neuestes Buch setzt gegen diese Diagnose den Wert der Unverfügbarkeit: Weltbeziehungen sind nur dort in aller Intensität gegeben, wo sie nicht verdinglicht und verzweckt werden, dem Gegenüber die Unabhängigkeit belassen, und dieses nicht für eigene Zwecke vereinnahmt wird. Befreiung geschieht damit nicht nur von oben, sondern in Relationalität, die allein Freiheit auch auf Dauer gewährleisten kann, wenn widrige Umstände sie abermals gefährden (vgl. Rosa 2018). Psalm 22,2–5 drückt das Eingebundensein biblischer Befreiung in ein fruchtbares Beziehungsgeschehen eindrücklich aus: Gott wird angerufen als mein Gott, obwohl doch der Beter sich von ihm verlassen fühlt. Die Be- ziehung scheint von göttlicher Seite aus stumm geworden zu sein, da er nicht mehr antwortet (V2f.). Aber weil seit Generationen Menschen ihn angerufen haben und daraufhin erhört worden sind, thront er über dem Lobpreis Israels. Diese majestätische Metapher setzt die beidseitige Be- ziehung, die nicht nur die Befreiung ermöglicht, sondern dadurch jeweils Gottes Bedeutung erhöht, hervorragend ins Bild. Vertrauen und die expli- zite Bitte um Befreiung haben die Gottheit immer wieder rettend handeln lassen, woraufhin die Menschen ihren Dank vor versammelter Gemeinde abstatteten. Die Hoffnung, dass auch der den Psalm betende Mensch das tun wird können, wird dann auch erfüllt (V23), wodurch der Lobpreis Israel Allein Relationalität kann Freiheit auch auf Dauer gewährleisten.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
267
Kategorien
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