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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Seite - 159 -
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160 | www.limina-graz.eu Hildegard Wustmans | Missbrauch – die Verspottung der Freiheit Dem Missbrauch entkommen: Freiheit zurückgewinnen Wer als Opfer in den Koordinaten von Missbrauch gestanden hat, steht vor der mühsamen und schmerzlichen Aufgabe, wieder selbstbestimmt hand- lungs- und entscheidungsfähig zu werden. Dieser Prozess ist mühsam, denn das Opfer ist in der „traumatischen Zange“ gefangen und muss sich daraus befreien.3 „Dabei geht es nicht nur um das Erringen von Selbstbestimmung, son- dern vor allem auch um das Heilen von und das Leben mit Wunden, um eine spirituelle Entgiftung. [...] Die Wunden, die ihnen geschlagen wor- den sind, müssen gereinigt und verbunden werden, und gute, gesunde neue Nahrung muss die Nährstoffe liefern, ohne die der Heilungsprozess nicht gelingen kann.“ (Wagner 2019a, 172) Der Heilungsprozess und der gesunde Rahmen einer geistlichen Beglei- tung spielt sich auf drei Ebenen ab: jener der betroffenen Person, jener der Begleiter*innen und Verantwortlichen Diözesen und jener Gottes. Für die betroffenen Personen besteht die Herausforderung darin, zu ler- nen, sich selbst zu trauen: auf die eigene Intuition und das eigene Gefühl neu hören zu lernen und damit wieder in Alternativen denken zu können. (Vgl. Wagner 2019b) Begleiter*innen müssen „unendlich behutsam sein. Das erste Gebot ist Zurückhaltung.“ (Wagner 2019a, 177) Und diese Zurückhaltung muss ge- paart sein mit Geduld und der Bereitschaft und Fähigkeit zuzuhören und zu glauben. Es geht in diesen fragilen Kontexten in besonderer Weise da- rum, dass zerstörtes Selbstvertrauen und Selbstachtung wieder mühsam erlernt werden müssen. Man hat es mit einem schmerzlichen Entgiftungs- prozess zu tun. Das braucht unendlich viel Mut von Seiten der Betroffe- nen und Begleiter*innen kommt die Aufgabe zu, Zutrauen, unbedingten Respekt und Sicherheit zu geben. „Und es braucht die Erlaubnis, frei sein und sich selbst vertrauen zu dürfen.“ (Wagner 2019a, 179–180) In diesem Prozess der spirituellen Entgiftung sollten auch neue spirituelle Ressour- cen erschlossen werden. (Vgl. Wagner 2019a, 180) Das bedeutet, ein vielfäl- tiges Spektrum anzubieten und nicht die eine Form von Spiritualität. Dabei kommt es auch darauf an, die Betroffenen zu ermutigen und ihnen glaub- 3 Mit dem Begriff der „traumati- schen Zange“ bezeichnet Michaela Huber den Vorgang, in dem Men- schen in Situationen, gegen die sie sich nicht wehren oder vor denen sie nicht fliehen können, im wahrsten Sinn des Wortes erstarren und das traumatische Ereignis abspalten. Vgl. Huber 2012. Die Herausforderung besteht darin, wieder zu lernen, sich selbst zu trauen.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
2:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
267
Kategorien
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