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Karl Farmer | Warum handelspolitischer Protektionismus wieder politikmächtig
und wirtschaftliche Freiheit zum Phantom wurden
„Historically determined clusters of values are therefore prone to become
vehicles of identification and political action, and thus of polarization,
replacing class based identities. To put it differently, trade and technol-
ogy shocks may have increased the relevance of pre-existing fault lines
within traditional political groups defined on the left versus right dimen-
sion. Socially conservative poor voters, who traditionally identified with
left wing groups despite their social conservatism, are now attracted by
nationalism because it appeals to both their trade preferences and their
cultural views, and vice versa for voters with opposite political features.
As this happens, traditional income or class based conflict wanes and is
replaced by new political cleavages over correlated dimensions.“ (Gen-
naioli/Tabellini 2018, 25)
Die „Depersonalisierung“ der individuellen Einstellungen tritt auf, wenn
die Individuen stereotypische Gruppeneinstellungen überbewerten. Der Pa-
rameter
θ
>
0 misst die Bedeutung von Stereotypen für die Verzerrung der
individuellen Mittelwerte von Einkommen, Handelsoffenheit und Kultur.
Ist θ hoch, weichen die identifikationsbasierten Einstellungen stark von
den individuellen Mittelwerten (ohne Identifikation) ab.
Korrelation zwischen Handel und Kultur ändert die Konsequenzen von
Identifizierung: Der einkommensschwache, latent globalisierungskriti-
sche und sozial konservative US-Wähler untertreibt vor dem WTO-Beitritt
Chinas (2001) wegen Identifikation mit den Einkommensschwachen sein
erwartetes Einkommen, während er bezüglich Handels- und Kulturpoli-
tik in der Gesellschaftsmitte liegt. Nach dem WTO-Beitritt Chinas, nach der
Verlagerung arbeitsintensiver US-Produktionen nach China und dem mas-
senhaften Import billiger, chinesischer Produkte in die USA steigt γ, was
einen Identitätswechsel von einkommens- zu handelsbasiert auslöst. Der
vormals gegenüber Außenhandelspolitik neutral eingestellte Wähler wird
zum Nationalisten, und wegen der positiven Korrelation zwischen Handels-
aversion und sozialem Konservatismus auch zum sozial Konservativen.
Die Einkommensaussichten des typischen Wählers sind nicht mehr verzerrt,
daher fragt er weniger Umverteilung nach. Die Kluft zwischen Eigen- und
Fremdgruppen innerhalb der Handels- und Kulturpolitik wird größer, wenn
auch θ zunimmt, d.
h. die Bedeutung von Stereotypen steigt. Das steigert die
Polarisierung und den Konflikt zwischen verschiedenen Sichten der Welt.
Der Konflikt über die kulturelle Dimension beschleunigte
die gesellschaftliche Polarisierung.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 2:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 2:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 267
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven