Seite - 58 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
Bild der Seite - 58 -
Text der Seite - 58 -
58 | www.limina-graz.eu
Georg Gasser | „I0I00I0II ... Ich, digital?“
Sieht man sich die biochemischen Grundlagen solcher Prozesse etwas ge-
nauer an, so scheinen sie Searles Einschätzung durchaus zu stützen. Die
chemischen Eigenschaften der verschiedenen Elemente des Periodensys-
tems verdeutlichen, dass Kohlenstoff als Grundlage für Leben eine einzig-
artige Rolle einnimmt. Häufig wird Silizium als mögliche Alternative ge-
nannt, aber im Vergleich zu Kohlenstoff weist dieses Element bereits eine
erheblich geringere chemische Flexibilität auf, was die Aussicht, dass auf
der Basis von Silizium Leben entwickelt werden könnte, stark mindert. So
kommen die (Kosmo-)Biologen Schulze-Makuch und Irwin zum Schluss:
„[N]o comprehensive bioenergetic metabolism is known to arise from
non-carbon complex chemistry, despite the high abundance of oxy-
gen and silicon on Earth, and the relative concentration of silicon on
other terrestrial planets. Thus, if elements other than carbon constitute
the building blocks for any living system on other worlds, they almost
surely exist under conditions far different from those on Earth, includ-
ing temperatures and pressures where water could not be the solvent.“
(Schulze-Makuch/Irwin 2004, 108)
Sollte Bewusstsein also ein biologisches Phänomen und die biochemische
Grundlage lebendiger Systeme auf Kohlenstoffverbindungen beschränkt
sein, dann dürfte diese biochemische Tatsache die Chancen, Bewusstsein in
nicht-biologischen Medien implementieren zu können, auf ein Minimum
reduzieren (vgl. Pigliucci 2014). Eine perfekte funktionale Reproduktion
der biologischen Grundlagen des Bewusstseins durch andere Materialen
wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu einem bewusstseinsfähigen
System führen, da ein solches nicht nur von seiner kausalen Struktur, son-
dern auch von seinem spezifischen Material abhängig ist.
Die bisherigen Überlegungen zeigen, dass Mind-Uploading mit einem Be-
wusstseinskonzept einhergeht, das, weitgehend losgelöst von unseren bio-
logischen Grundlagen, einem Hardware-Software-Modell folgt: Solange
die jeweilige Hardware eine entsprechende kausale Organisation aufweist,
welche ein Abspielen der Software erlaubt, ist ein flexibler Wechsel der
Software zwischen den jeweiligen Hardwares möglich. Ein näherer Blick
auf die Grundlagen biologischer Systeme im Allgemeinen und die Ausfal-
tung von Bewusstsein in biologischen Systemen im Besonderen lässt aber
Mit großer Wahrscheinlichkeit sind bewusstseinsfähige Systeme von
einem spezifischen Material abhängig: Kohlenstoffverbindungen.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven