Seite - 76 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
Bild der Seite - 76 -
Text der Seite - 76 -
76 | www.limina-graz.eu
Herbert Hrachovec | Omnipräsenz / Telepräsenz
gorithmen zur Analyse und Verwertung eines konkurrenzlos ausgedehnten
Verhaltens- und Wissensbestandes.
Facebook, das seit 2006 zur allgemeinen Nutzung zur Verfügung steht, ge-
neriert und bedient sich ähnlicher Datenmengen. Das Unternehmen fügt
aber noch eine entscheidende Funktionalität hinzu. Statt der Angebote im
virtuellen Raum erfasst das von Facebook entwickelte Arrangement aus
Freunden, Gruppen, Nachrichten, Verlautbarungen, Initiativen und Wer-
bung das Leben der Akteure 1:1. Ihr Handlungsspielraum ist nicht mehr in
Realität und Virtualität gespalten, sondern im informatisch unterfangenen
Kontinuum umstandsloser, weltweiter Zugänglichkeit einer Netzgemein-
schaft (wörtlich, wie metaphorisch verstanden) homogenisiert.
Fortsetzung 1
Dardanus, der Präfekt Galliens, hatte gute Gründe, sich über die Anwesen-
heit Gottes vis-à-vis der Welt Gedanken zu machen. Zahlreiche Passagen
in der hebräischen und christlichen Bibel verweisen auf seine uneinge-
schränkte, herrschaftliche Übersicht. „Der Herr weilt in seinem heiligen
Tempel, der Thron des Herrn ist im Himmel. Seine Augen schauen herab,
seine Blicke prüfen die Menschen.“ (Ps 11,4) Von Christus heißt es im Ko-
losserbrief, „es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor
allem, und es besteht alles in ihm.“ (Kol 1,17) Das ist Glaubenssache, aber
es sollte sich auch verständlich machen lassen. Augustinus greift mit sei-
ner Erklärung auf das Welt- und Menschenbild des Neoplatonikers Plotin
zurück. Dieser wirft in seiner Enneade VI,4 (Plotin 1962) die Frage auf, wo
sich denn immaterielle Seelen (er unterscheidet zwischen Weltseele und
Einzelseelen) im Verhältnis zu Körpern befinden. Und er sieht klar, dass es
sich um ein verzwicktes Problem handelt. Diese Seelen sollen (vergleiche
„geistiges Eigentum“) einerseits unfassbar und andererseits konkret fest-
stellbar sein. An welchem Ort können sie gleichzeitig extra-materiell und
intra-mundan sein? Augustins Hinweis auf die Charakteristik von Weis-
heit, von dem schon die Rede war, ist Plotin entnommen. In dessen System
hat die Seele Teil an der Welt des Geistes und reicht in die Welt der Körper-
lichkeit. Dieser Problemansatz präfiguriert alle Verwicklungen der Kate-
chismuslehre von der Allgegenwart Gottes.
Facebook erfasst das Leben der Akteure 1:1.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven