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Herbert Hrachovec | OmniprÀsenz / TeleprÀsenz
druck spielt in der metaphysischen Kategorienlehre, im Kapitel ĂŒber Quan-
titÀt, eine gewisse Rolle. Der landlÀufigen Ausdehnung (extensio formalis)
wird eine extensio virtualis entgegengesetzt. Diese Eigenschaft besitzen
Enti tÀten, deren PrÀsenz sich auf mehrere Orte verteilt, wÀhrend sie ihre
singulĂ€re IdentitĂ€t behalten (Coesemans 2019, 79â80). Engel, das wurde
schon erwÀhnt, können gleichzeitig an verschiedenen Orten erscheinen.
Dieser Konstruktion gemÀà kann Gott alle Orte seiner Schöpfung sehen. Sie
bietet sich heutzutage zur Beschreibung der TeleprÀsenz an.8 Die Teilneh-
merInnen an einem Video-Chat sind vor ihrem Monitor und im gemein-
samen Softwaremedium, mittels dessen sie untereinander agieren, anwe-
send. Der Ăhnlichkeit des Motivs steht indessen eine eklatante Diskrepanz
der begrifflichen Voraussetzungen gegenĂŒber.
âAuch wenn sich der Theologie durchaus bekannte Fragen [z]um VerÂ
hĂ€ltnis von Leib und Seele, Geist und Materie im Kontext neuerer CyÂ
ber Philosophien neu stellen, ist der Wortgebrauch heute doch ein völlig
anderer, ja geradezu entgegengesetzter.â (Valentin 2004)
Die metaphysische Reflexion ĂŒber die Möglichkeit des VerhĂ€ltnisses eines
höchsten Wesens zu seiner Schöpfung hat bloĂ die Ăberschriften mit einer
PhÀnomenologie der TeleprÀsenz gemein.
Handgreiflich ist die InkompatibilitÀt angesichts des Befundes im 1. Punkt.
So expansiv die Feinsinne erweitert werden können, so stationÀr ist der da-
zugehörige Körper. Mit der MultiprÀsenz engelhafter Wesen hat das nichts
zu tun. Joachim Valentin skizziert ein gegenwÀrtig verbreitetes VerstÀnd-
nis:
âHeute bezeichnen wir mit dem Begriff VirtualitĂ€t eher einen effectus,
also einen fiktional generierten Raum, der zunĂ€chst definitiv nicht allÂ
tagsreal werden kann (und soll) und uns doch in hyperrealer Perfektion
entgegentritt, so dass die Grenzen zwischen RealitĂ€t und Fiktion zu verÂ
schwimmen drohen.â (Valentin 2004)
VirtualitĂ€t ist nicht âalltagsrealâ, aber gerade darum, als Ersatzwirklich-
keit, fiktiv perfektionierbar. Sie ist die neueste Form der âwilling suspen-
sion of disbeliefâ (S. T. Coleridge) in âvirtuellen RealitĂ€tenâ. In dieser Auf-
8 Einem anonymen Gutachter ver-
danke ich den in den folgenden Ab-
sÀtzen herangezogenen Beitrag von
Joachim Valentin. âDer Begriff tac-
tus virtualis bezeichnet das bis heute
heikle theologische Problem, wie
denn der Kontakt zwischen der Welt
der Engel und der materiellen Welt
vorgestellt werden sollte â durch
den tactus virtualis eben.â (Valentin
2004) Mit der MultiprÀsenz engelhafter Wesen
hat VirtualitÀt heute nichts zu tun.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven