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Gerhard Langer | Essen und Trinken als Ausdruck von IdentitÀt und DiversitÀt im (rabbinischen) Judentum
wird, so bedeutet dies, dass nicht Feindschaft gegenĂŒber dem Fremden
allgemein gemeint ist, sondern dass es um die notwendige IdentitÀtsbe-
wahrung einer Minderheit gegenĂŒber einer sich durchaus aggressiv gebĂ€r-
denden Mehrheit geht. Im Falle Nebukadnezzars handelt es sich um einen
feindlichen König, der die Oberschicht und die Handwerker JudÀas ins Exil
verbannte und den Tempel in Jerusalem zerstören lieĂ.
Die Speisegebote sind eine wichtige Möglichkeit, deutlich die Zugehörig-
keit zu Gott unter Beweis zu stellen. Der Text zeigt, dass dabei gesundheit-
liche ErwÀgungen keine Rolle spielen, und schon gar nicht der Geschmack.
Gerade das Schweinefleisch, das Symbol des verbotenen Essens schlecht-
hin, wird nicht gemieden, weil es nicht schmeckt oder ungesund ist, son-
dern weil Gott es fĂŒr verboten erklĂ€rt hat. Am Ende des Abschnittes wird
noch einmal eingeschÀrft, dass es eigentlich viel grundsÀtzlicher um die
Abkehr vom falschen Handeln geht. Die Völker werden auf diese Weise zu
einem Symbol fĂŒr das sĂŒndhafte Verhalten.
Metaphorik spielt auch anderweitig eine wichtige Rolle in der Beschreibung
der Speisevorschriften. Demnach konnten die den Juden feindlich gesinn-
ten Völker mit Tieren verglichen werden. So heiĂt es im Midrasch Levitikus
Rabba 13.5 ĂŒber die als Speise verbotenen Tiere:
ââDas Kamel (gamal)â â das ist Babylonien, wie es heiĂt: âWohl dem, der
dir vergilt, was du uns aufgeladen hast (aschre sche-jeschallem lach
et gemulech sche-gamalt lanu)â (Ps 137,8). [âŠ] ââUnd das Schweinâ â
das ist Edom (Rom). Mose nannte die (vorherigen) drei in einem Ab-
schnitt und dieses in einem anderen Abschnitt. Warum? Rabbi Jochanan
und Rabbi Schimon ben Laqisch: Rabbi Jochanan sagte, dass dieses die
anderen drei (Kamel, Klippdachs, Hase) aufwiegt. Rabbi Schimon ben
Laqisch sagte: Mehr (als das). [âŠ] Rabbi Pinchas und Rabbi Chilqia im
Namen des Rabbi Simon: Von allen Propheten haben nur zwei, Asaf und
Mose, es (das Schwein) angesprochen. Asaf sagte: âDas Schwein aus dem
Wald wĂŒhlt ihn umâ (Ps 80,14). Mose sagte: âUnd das Schwein, [denn es
(hat zwar) einen Huf, und zwar einen mit einem Spalt gespaltenen Huf,
aber es kĂ€ut nicht wieder]â (Lev 11,7). Warum wird es (Rom) mit einem
Schwein verglichen? Um dir zu sagen: Wie das Schwein sich lagert und
seine Hufe vorstreckt, als wĂŒrde es sagen: Schau her, ich bin rein, so plus-
tert sich auch das frevlerische Königreich auf und raubt und stiehlt und
gibt vor, ein Gerichtsverfahren abzuwickeln. Gleichnis von einem Statt-
Die notwendige IdentitÀtsbewahrung einer Minderheit
gegenĂŒber einer sich aggressiv gebĂ€rdenden Mehrheit
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven