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Claudia D. Bergmann | Allein am Tisch?
halb sind auch alle Texte über Mähler, die sich in der Hebräischen Bibel und
in der mit ihr verwandten außerbiblischen Literatur befinden, zum einen als
mögliche Verweise auf tatsächlich stattgefunden habendes Alltagsspeisen,
als ein Blick in lived ancient religion, zu verstehen, vor allem aber als Texte
mit einem bestimmten Ziel. Sie sollen über die Gemeinschaft informieren,
die diese Mahlhandlungen (der Legende nach) zu einem bestimmten Zweck
vorgenommen hat, wie sich die Gemeinschaft etabliert, entwickelt und in
Auseinandersetzungen mit der Gottheit und mit anderen Gemeinschaf-
ten bewährt hat. Dabei ist der Bezug zu einem tatsächlich stattgefundenen
Mahlgeschehen zweitrangig. Im Mittelpunkt steht die Absicht des Autors,
das rituelle Mahl als eine Art literarischen Katalysator zu nutzen, der Ge-
meinschaften definiert und deren Veränderungen beschreibt.
2 Mahlrituale in der Hebräischen Bibel
Wie wichtig rituelle Mähler für die Autor:innen der Texte waren, die in die
Hebräische Bibel eingeflossen sind, kann hier nur angerissen werden (sie-
he zum Ganzen Bergmann 2019; Bergmann 2016b). Die hebräische Wurzel
לכא („essen“) kommt fast tausend Mal im masoretischen Text vor und wird
semantisch vielfältig genutzt. Mahlberichte, Mahlmetaphern und Mahl-
terminologie dienen den verschiedensten Zwecken. Zum einen beschreiben
sie natürlich eine Handlung zum menschlichen Lebenserhalt, zum ande-
ren betonen sie aber auch, dass es die Gottheit ist, die die Menschen durch
Nahrungsmittelgabe am Leben erhält oder durch deren Entzug Leben be-
grenzt. Dafür gibt es vielfältige biblische Beispiele, die sich in Narrativen
wie dem von der Speisung in der Wüste (Ex 16) niederschlagen, in Sinnbil-
dern wie dem vom verheißenen Land, in dem Milch und Honig fließen, oder
auch in poe
tischer Form, so u. a. im vielzitierten Ps 145,15: „Die Augen aller
schauen erwartungsvoll auf dich und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten
Zeit.“ (Übersetzung: C. B.)
Mähler waren im alten Israel Bestandteil religiösen Opferns und Kommu-
nikationsmittel, die die Verbindung zum Göttlichen herstellen sollten. Im
Buch Deuteronomium wird ein System von Festmählern am zentralen Hei-
ligtum vorgestellt, das in einer Art Festkalender an die rettenden Taten der
Mähler waren im alten Israel Kommunikationsmittel,
die die Verbindung zum Göttlichen herstellen sollten.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven