Seite - 130 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
Bild der Seite - 130 -
Text der Seite - 130 -
128 | www.limina-graz.eu
Agnethe Siquans | âDie Speise des Wortes Gottes essenâ
VerstĂ€ndnis zurĂŒckrufst, dein Leben aber und deine Taten nicht solche
sind, dass sie einen Unterschied zwischen dem gegenwÀrtigen und dem
zukĂŒnftigen Leben aufweisen, zwischen dieser Welt und der kommenden
Welt (vgl. Eph. 2,7), wenn du nicht mit entsprechender Vernunft unter-
scheidest und teilst, bist du ein verrenktes Kamel,9 der du, obwohl du aus
dem Nachsinnen ĂŒber das göttliche Gesetz das VerstĂ€ndnis gewonnen
hast, nicht teilst und nicht das GegenwĂ€rtige und das ZukĂŒnftige son-
derst und nicht den engen Weg vom breiten Weg scheidest (vgl. Mt. 7,13f.;
vgl. Mt. 19,24).â (in Lev. hom. 7,6)
Die Homilie geht noch weiter auf das zuletzt angesprochene Thema der
Entsprechung von Erkenntnis und Verhalten ein. Das WiederkÀuen des Es-
sens, das heiĂt der Worte der Schrift, entfaltet Origenes hier in mehreren
Stufen. ZunÀchst geht es um die oftmalige BeschÀftigung mit der Schrift,
das bestÀndige Lesen der göttlichen Worte. Dann wird wiederum der Fort-
schritt vom buchstÀblichen zum geistigen VerstÀndnis, der als nochmali-
ges WiederkÀuen gesehen wird, verlangt. Zuletzt steht die christliche Le-
benspraxis im Fokus, die aus dem Lesen und Verstehen der Schrift folgen
muss. Sie macht den Unterschied zwischen denen, die nur auf das irdische
Leben im Hier und Jetzt schauen, und denen, die in erster Linie das jensei-
tige, himmlische Leben im Blick haben.
Ganz im Bild des Essens bewegt sich auch die folgende Auslegung, die zu-
sÀtzlich zu dem Gedanken des WiederkÀuens der biblischen Worte noch die
Reinheit ins Spiel bringt sowie die Rolle der Priester und Lehrer.
âDaraus werdet ihr also belehrt, dass ihr das, was ihr in der Kirche hört,
so wie reine Tiere gleichsam wiederkĂ€uend ins GedĂ€chtnis zurĂŒckruft
und in eurem Herzen das, was gesagt wurde, erwĂ€gt. Wenn etwas ĂŒber
das GedĂ€chtnis hinausgeht und euer VerstĂ€ndnis ĂŒbersteigt, tut, was die
AutoritĂ€t der vorliegenden Anordnung vorschreibt: âWas aber von die-
sem ĂŒbrig ist, sollen Aaron und seine Söhne essen.â (Lev. 6,9) Wenn etwas
dein VerstĂ€ndnis oder dein GedĂ€chtnis ĂŒbersteigt und darĂŒber hinaus-
geht, bewahre es auf fĂŒr Aaron, das heiĂt, bewahre es fĂŒr den Priester
auf, bewahre es fĂŒr den Lehrer auf, dass dieser es esse, dieser es untersu-
che, dieser es auslege; so wie auch derselbe Mose anderswo sagt: âFrage
deine VĂ€ter und sie werden es dir kundtun, deine Ăltesten und sie werden
es dir sagen.â (Dtn. 32,7) Denn diese wissen, wie man die ungesĂ€uerten
9 Das Kamel ist nach Lev 11,4 ein
unreines Tier, weil es wiederkÀut,
aber keine gespaltenen Klauen hat.
Vgl. auch Origenes, Contra Celsum VI
16. WiederkÀuen vom buchstÀblichen zum geistigen
VerstÀndnis bis hin zur christlichen Lebenspraxis
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven