Seite - 202 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
Bild der Seite - 202 -
Text der Seite - 202 -
200 | www.limina-graz.eu
Kurt Remele | Ein Fisch namens Jesus
Fische ein Recht zu leben.“ (Vivekjivandas 2004, 5; Übersetzung K. R.) Der
Fischer versprach daraufhin, sich zu bekehren und in Zukunft weder Fische
noch irgendwelche anderen Tiere zu töten.
Wodurch Jesu Ethik begrenzt ist
Offensichtlich ist es für jene Philosophien und Religionen, die an eine See-
lenwanderung (auch: Metempsychose, Transmigration oder Reinkarnati-
on) glauben, naheliegender, eine „Kontinuität von Bewusstsein“ (Balluch
2005) zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Wesen anzuneh-
men, als für jene Philosophien und Religionen, die an einer von Gott ge-
schaffenen strikten hierarchischen Trennung zwischen Mensch und Tier
festhalten.
Eine Religion, nach welcher die unsterbliche Seele eines Menschen sich
bei der Wiedergeburt auch in einem Tier verkörpern kann, steht den Er-
kenntnissen der gegenwärtigen Biologie und kognitiven Ethologie, nach
der es zwischen Menschen und Tieren nur graduelle Unterschiede gebe,
weltanschaulich näher als eine, in der der Mensch als Krone der Schöpfung
und singuläres Vernunftwesen weit über die übrige Natur gestellt wird. Im
Hinduismus, Buddhismus und Jainismus beziehen sich die Haltungen von
Ahimsa (Gewaltlosigkeit, Nicht-Verletzen) und Karuna (Mitgefühl) deshalb
nicht nur auf Menschen, sondern auch auf nichtmenschliche Lebewesen,
auch wenn die alltägliche Umsetzung dieser hochethischen Forderung in
die Praxis defizitär bleibt (vgl. Remele 2018, 136–138).
Der Jude Jesus Christus gehörte einer Religion an, die den Menschen als
Gottes Ebenbild sieht, die Tiere dagegen als Wesen, die sich der Mensch zu
unterwerfen habe (vgl. Gen 1,28). Seine ethischen Ansichten über Wert und
Würde der Tiere im Allgemeinen, der Fische im Besonderen waren notwen-
digerweise kontextuell begrenzt und historisch-partikular geprägt. Diese
Tatsache wird weder durch Jesu einzigartige Beziehung zu Gott, seine Gott-
menschlichkeit, noch durch die Auszeichnung der Bibel als Offenbarung
Gottes aufgehoben. Nach dem niederländischen Theologen Edward Schil-
lebeeckx offenbart Jesus Gott deshalb nicht nur, sondern „er verhüllt ihn
auch, da er in nicht-göttlicher, geschöpflicher Menschlichkeit erscheint“
(Schillebeeckx 1990, 31). Schillebeeckx fügt hinzu, dass Jesus Christus
Eine strikte hierarchische Trennung zwischen Mensch und Tier
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven