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Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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36    Moritz Baßler genannt werden, sondern auch jene, zu denen sie im popkulturellen Referenzsys- tem in Äquivalenz- oder Oppositionsbeziehungen stehen. Und nur weil das so ist, weil einzelne Textstrategien eben ein ganzes Archiv aufzurufen imstande sind, lassen sich in einem zweiten Schritt dann auch die Selektionskriterien benennen und kritisieren, die den jeweiligen Popliteraten und seine Texte kennzeichnen. Damit tut man im Grunde nichts anderes, als diesen Text vor dem von ihm selbst definierten semiotischen Hintergrund zu semantisieren, also: ihn richtig zu lesen. Die Beschreibung von textuellen Selektionsvorgängen ist also, strukturalis- tisch gefasst, die Definition von Paradigmen. Archivanalytisch gesprochen bedeutet das die Erfassung von Äquivalenzstrukturen im Archiv. Im Vergleich mit den entsprechenden Okkurrenzen in anderen Texten wird die manifeste Text- stelle semantisiert. Das ist genau das, was eine kulturwissenschaftliche Literatur- wissenschaft tut. Und dabei gilt schlichterdings, wenngleich ernüchternder- weise: Was nicht im Archiv ist, kann auch nicht gelesen werden, weder als manifester Text noch als Vergleichstext. 5 Hier liegt nun ein Einwand nahe, nämlich der, dass insbesondere historische Archive ja niemals vollständig sind, dass viele Dinge einer Kultur – wie der Alltag von Frau Krumhardt und ihren Kindern – niemals aufgezeichnet werden und dass selbst von den Aufzeichnungen und anderen objektförmigen Zeugnissen die allermeisten im Verlaufe der Historie zerstört werden. „Archive, digitale zumal“, behauptet etwa Martin Warnke ganz grundsätzlich, „überdauern nur, wenn sie ständig benutzt werden, wenn eine erhaltende Instanz sie stets neu kodifiziert, interpretiert und bewertet“ (Warnke 2002, 280). Das allerdings scheint mir, über technische Probleme des Erhalts von Datenträgern hinaus, so nicht zutreffend. Ein Archiv ist etwas anderes als ein Gedächtnis. Was im Archiv ist, kann prinzipi- ell immer auch gelesen werden, selbst wenn es nie dazu gedacht war oder Codes und Lesegeräte erst mühsam rekonstruiert werden müssen. Die ägyptischen Hie- roglyphen-Inschriften und Papyri etwa wurden jahrhundertelang weder gelesen noch benutzt. Nur aufgrund ihres reinen Objektcharakters, sozusagen als un- semantisierte Objekte, haben sie überdauert und können heute wieder Teil eines Archivs, also von Vergleichs- und Semantisierungsoperationen sein. Der Rosetta- Stein, ohne den wir vermutlich bis heute diese Schrift nicht lesen könnten, hat als Teil einer Steinmauer überdauert, viele mittelalterliche Texte kennen wir nur, weil sie zufällig auf ein Material geschrieben wurden, das sich später zum Einbin- den von Büchern eignete. Archiv und Gedächtnis sind also zu unterscheiden.
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Logiken der Sammlung Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Titel
Logiken der Sammlung
Untertitel
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Autoren
Petra-Maria Dallinger
Georg Hofer
Verlag
De Gruyter Open Ltd
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-11-069647-9
Abmessungen
15.5 x 23.0 cm
Seiten
202
Schlagwörter
Archiv, Nachlassinventar
Kategorien
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