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Sabine Folie
der zwangsläufigen Dokumentationslücken nicht mehr eindeutig nachvollzogen
werden kann.
Es gibt Systematiken der Bibliothek, der Dokumente, Skizzen und Videos, die
vertikal und horizontal gewissermaßen teilweise nach Medien organisiert sind
(Korrespondenz nach Jahren, Projekten geordnet, Videosammlung, Dias, Druck-
sorten, Fotos etc.), und nach Themen/Projekten/Werken. Natürlich trifft man hier
auch gerade in den 1980er-Jahren auf die Typoskripte, die mit der mechanischen
Schreibmaschine getippt wurden und später mit dem Computer und damit
zusammenhängend auf die oftmals schwer zu benützenden Datenträger/Disket-
ten etc. Die Prozesse der künstlerischen Arbeit werden neben Skizzen und Kon-
zepten unter anderem über diverse Archivalien sichtbar und die Persona der
Künstlerin, die Facetten der Aktivitäten, zeigen sich.
Von außen betrachtet scheint es, dass VALIE EXPORT akribisch gesammelt
hat, alles aufbewahrt und kaum skartiert hat, das heißt, es gibt sehr viel Material,
wie Typoskripte, die in mehrfachen Ausfertigungen und, ja, Überarbeitungen,
vorhanden sind. Das heißt, die verschiedenen Stufen und Überarbeitungen von
Texten beispielsweise, aber auch von Werken, sind oft belegt.
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Das hermeneutische Interesse
Was mir immer am schwersten fällt in meinem Gedankenarchiv ist die Zuordnung. Ich
ordne Dinge zu und merke aber, dass noch viele andere Zuordnungen möglich wären und
ich müsste die Unterlagen auch dort noch zuordnen. Die Archivstruktur war von mir nicht
als Archivstruktur gedacht. (Zit. n. Winkelmayer 2016, 7)
Ein Archiv ist immer in sich „verschachtelt“, wie eine Komposition, die auch immer wieder
Kompositionsteile aufgreift, „verändert“ unterschiedlich zusammenfügt. Man könnte auch
sagen eine mediale, filmische „Super-Überblendung“. So habe ich auch mein Archiv immer
gesehen. Ich habe nicht archiviert, weil ich dachte, ich werde das JETZT für eine spätere Zeit
aufheben, sondern weil es in dieser Zeit WAR und weil ich mir dachte, dass ich DIESE Zeit
mittels einer Gedächtnisstruktur und dem materiellen Gedächtnis – also der Teile des
Archivs – in die zukünftige Zeit transferieren kann. (Zit. n. Winkelmayer 2016, 4)
Zusammenfassend: Das Archiv ist wie jedes KünstlerInnenarchiv ein idiosynkra-
tisches und die Aufgabe, die sich nun stellt, ist diesem idiosnykratischen Archiv
mit einer gewissen „wissenschaftlichen“ Systematik zu begegnen. Es gilt, die
ursprüngliche Ordnung von VALIE EXPORT zwar zu erhalten, damit gewisse
Nachbarschaften, Nähen, die auf den ersten Blick nicht erkennbare Bezüge erhel-
len, erhalten bleiben, gleichzeitig aber das zu machen, was VALIE EXPORT mit
dem Satz: „Teile werden zu einem Archiv-‚Skelett‘ zusammengefügt“ beschrieben
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik