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Selbstzeugnisse sammeln
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BenutzerInnen eine gezielte Suche. Gleichzeitig fördert dieser Zugang weiteres
Wissen über die verschiedenen diaristischen Formen zutage – und ermöglicht
eine Einschätzung ihrer Häufigkeit.
So hat sich beispielsweise herausgestellt, dass 15 der aktuell in der Samm-
lung Frauennachlässe vorhandenen Tagebuchaufzeichnungen ausschließlich
rund um das Frühjahr 1945 verfasst worden sind, also während der Zeit des Endes
des Zweiten Weltkrieges. Im Gesamtbestand von 126 einzelnen Tagebuchprojek-
ten macht diese Form mehr als zehn Prozent aus. Diese Zahl bezieht sich nun nicht
auf den Umfang der gesamten in der Sammlung Frauennachlässe aufgenomme-
nen diaristischen Aufzeichnungen: Manche der Texte aus 1945 umfassen nur
wenige Seiten, während andere Diaristinnen über Jahrzehnte geschrieben haben,
wodurch derzeit insgesamt 1.313 (von 126 SchreiberInnen verfasste) Bände vorlie-
gen. Die 15 Texte aus 1945 dokumentieren vielmehr einen spezifischen Schreiban-
lass. Damit konnte eine eigene Erinnerungs- oder Dokumentationsform der popu-
laren Autobiografik identifiziert werden, die offenbar gängig gewesen ist – und
die in persönlichen Zusammenhängen auch aufbewahrt wurde. Weitere Spezifika
könnten durch inhaltliche Auswertungen und Kontextualisierungen ausdifferen-
ziert werden – die Quellen dazu stehen jedenfalls zur Verfügung.
Insgesamt bieten alle Sammlungsbestände die Möglichkeiten für immer neue
Fragestellungen und Schwerpunkte von zukünftigen Forschungs
interessen. Wer
weiß heute, was morgen gefragt wird? Die Quellenschätze warten inzwischen gut
verwahrt in den Regalen.
4 Die Demokratisierung des Wissenschaftsbetriebes durch
die Bestände von Sammlungen für Selbstzeugnisse
Nach einem Ausblick auf mögliche zukünftige Forschungen soll zum Abschluss
dieses Beitrages noch einmal auf die grundlegenden Ziele der Sammlungen für
Selbstzeugnisse zurückgekommen werden. Der zivilgesellschaftliche Selbst-
zweck zielte insgesamt auf eine Demokratisierung des Wissenschaftsbetriebes ab
– und damit auf eine Demokratisierung des Wissens allgemein. Gradmesser für
eine gelungene Umsetzung kann die Zusammensetzung der Bestände in Bezug
auf das Geschlecht sowie auf die soziale Schicht der in den Archivbeständen
Weltkrieg geführte Tagebücher; Soldatentagebücher; KLV-Tagebücher; während dem Kriegs-
dienst geführte Tagebücher; Tagebuchaufzeichnungen zum Ende des Zweiten Weltkrieges; Tage-
bücher in der Emigration; Kalender mit tagebuchähnlichen Einträgen; tagebuchähnliche Auf-
zeichnungen.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik