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150 Joachim Förster
Die Archivabteilung des MfS war im Übrigen eher eine Altregistratur als ein
Archiv, in dem die in den jeweils zuständigen Diensteinheiten angelegten Vor-
gänge nach einem eigenen – für Außenstehende intransparenten – System abge-
legt, später aber durchaus auch verändert wurden. Insgesamt belief sich die
1989/90 übernommene Hinterlassenschaft des MfS auf mehr als 111 km Schrift-
gut, 41 Mio. Karteikarten, über 1,85 Mio. Fotodokumente, 2.865 Filme und Videos,
23.250 Tondokumente sowie 54 Datenprojekte des MfS. Hinzu kamen 15.500
Säcke mit zerrissenem Schriftgut.
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Sicherung, Öffnung und Erschließung
Mit dem Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) vom 20. Dezember 1991 wurde die gesetz-
liche Grundlage für die Öffnung und Nutzung der Unterlagen zu Zwecken der Dik-
taturaufarbeitung geschaffen. Damit war der Gesetzgeber einem in letzter Minute
auf Druck der DDR-Bürgerrechtler dem Einigungsvertrag 1990 als Zusatz beige-
fügten Auftrag nachgekommen (vgl. Art. 1 der Zusatzvereinbarung zum Eini-
gungsvertrag 1990). Dem waren kontroverse Diskussionen in Ost und West vor-
ausgegangen (vgl. Schumann 1995). Die Bürgerrechtler forderten die Öffnung,
wollten aber sicherstellen, dass die Betroffeneninformationen nicht ohne ihre
Einwilligung durch Behörden weitergenutzt werden. Auch im Westen befürchte-
ten Politiker, die Hinterlassenschaft dieses Spitzelapparats könnte für das wie-
dervereinigte Deutschland nur eine Belastung bis hin zu einer Spaltung der
Gesellschaft mit sich bringen. Befürchtungen, die wie man heute weiß, unbe-
gründet waren.
Die rechtspolitische Herausforderung, diese zum Teil höchst sensiblen und
mit rechtsstaatswidrigen Mitteln erlangten Informationen, zudem ohne die
archivrechtlich üblichen langen Sperrfristen, zeitnah für die Aufarbeitung
zugänglich zu machen, hat das StUG durch folgende Eckpunkte gelöst:
– Ausschließliche Verwahrung, Verwaltung und Verwendung durch die
Behörde des Bundesbeauftragten (vgl. §§ 1 Abs. 2, 2 Abs. 1, §§ 7, 8, 9 StUG)
– Verwendung der Unterlagen nur für die und unter den Voraussetzungen der
abschließend aufgeführten Zwecke (vgl. § 4 Abs. 1 StUG, sog. Verbot mit
Erlaubnisvorbehalt)
– Strenger Schutz der Daten von Betroffenen und Dritten einerseits (vgl. §§ 1
Abs. 1 Nr. 2, 3 Abs. 3, 4 Abs. 4, 5 Abs. 1, 11 Abs. 4 StUG). Nach § 5 Abs. 1 StUG
besteht ein grundsätzliches Verbot, Stasi-Unterlagen zum Nachteil von
Betroffenen und Dritten zu verwenden)
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik