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Joachim Förster
ders sensiblen Anwendungsbereich dar, da hier Persönlichkeitsrechte in beson-
derer Weise berührt und ggf. schutzbedürftig sind, zugleich aber mit dem
Grundrecht der Presse- und Forschungsfreiheit und dem Aufarbeitungsinteresse
in einem Spannungsverhältnis stehen.
Auch hier gilt die gesetzliche Unterscheidung zwischen Informationen zu
Betroffenen und Dritten einerseits, zu denen grundsätzlich Einwilligungen beige-
bracht werden müssen, und Informationen zu Mitarbeitern andererseits (vgl. §§ 32
Abs. 1 Nr. 3 und 6, 34 StUG). Deren personenbezogenen Daten können unter
Beachtung schutzbedürftiger Rechte herausgegeben werden, wenn sie in Bezug
zu dem jeweiligen Aufarbeitungsvorhaben stehen. Personen der Zeitgeschichte,
Amts- und Funktionsträger sind vor der Herausgabe sie betreffender Unterlagen
zu benachrichtigen und haben die Möglichkeit, Einwände zu erheben, welche
dann Gegenstand einer gerichtlich überprüfbaren Abwägung mit dem jeweiligen
Aufarbeitungsinteresse seitens des BStU sind (vgl. §§ 32 Abs. 1 Nr. 4, 32a, 34
StUG).11 In der Regel kommt es zu gütlichen Einigungen mit den Beteiligten.
Die durch das StUG gestellten Anforderungen an die Verwendung personen-
bezogener Informationen binden den BStU als hoheitliche, der Grundrechtsbin-
dung unmittelbar unterliegende Behörde bei der Herausgabe und zusätzlich
auch den veröffentlichenden Antragsteller. Im Falle von Verstößen kann der
Betroffene unter Umständen gegen beide gerichtlich vorgehen.
Unterlagen zu Betroffenen waren nach deren Tod der Verwendung dauerhaft
entzogen. Im Jahre 2006 wurde im Interesse von Forschung und Medien eine an
das Archivrecht angelehnte Schutzfrist von 30 Jahren zur Verwendung von Unter-
lagen mit personenbezogenen Informationen auch von Betroffenen nach deren
Tod eingeführt (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 6 StUG, eingeführt durch das 7. Gesetz zur
Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes; vgl. BGBl. 2006). In Ausnahmefällen ist
eine Fristverkürzung auf zehn Jahre möglich, was aber restriktiv nur in Ausnah-
mefällen angewendet wird (etwa im Falle der Biografie zu einer verstorbenen
Schriftstellerin mit gemischten Überlieferungen, zu der ansonsten nur IM-Unter-
lagen herausgabefähig wären).
d) Grundlagenforschung und Unterrichtung der Öffentlichkeit
Der BStU hat selbst einen gesetzlichen Aufarbeitungsauftrag (vgl. § 37 Abs. 1 Nr. 5
StUG). Sein Ziel ist es, die Öffentlichkeit über Struktur, Methoden und Wirkungs-
11 Diese differenzierende Regelung wurde im Jahre 2002 im Zusammenhang mit einem Rechts-
streit betr. beantragte Herausgaben zum ehem. Bundeskanzler Helmut Kohl eingeführt. Im Ge-
gensatz zu manchen Befürchtungen hat sie sich bewährt und die Aufarbeitung nicht spürbar
erschwert.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik