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192 | Karin Orth
sein. In knapp zweieinhalb Jahren verschleppten die EinsatzstÀbe der Wehrmacht und
der deutschen ArbeitsĂ€mter etwa 2,5Â
Millionen Zivilisten, die HĂ€lfte von ihnen Frauen,
aus der Sowjetunion als ZwangsarbeitskrÀfte ins Deutsche Reich.
Die Deportierten wurden zunÀchst in sogenannten «Grenzentlausungslagern» un-
tersucht und desinfiziert, dann in Durchgangslager transportiert, in denen eine Àrztli-
che Musterung, die polizeiliche Meldung und die Verteilung auf die Arbeitsstellen er-
folgten. 1942 waren 24 derartige Durchgangslager eingerichtet, bis Kriegsende etwa 50.
FĂŒr die ab 1942 massenhaft ins Reich verschleppten «Ostarbeiter» galten seit 20. Fe-
bruar 1942 eigene Erlasse,22 die sich an den Richtlinien fĂŒr die polnischen Arbeiter
orientierten, aber strenger ausgerichtet waren. Die Unterbringung erfolgte grundsÀtz-
lich in Lagern, die bis FrĂŒhjahr 1943 mit Stacheldraht umzĂ€unt waren, FreizĂŒgigkeit
auĂerhalb der Lager war verboten. Die LagerfĂŒhrer der sogenannten «Ostarbeiterla-
ger» wurden in der Regel vom jeweiligen Betrieb ernannt und durch die DAF und
die Gestapo bestÀtigt, die Lagerbewachung selbst hatten die Firmen zu stellen. Zudem
wurden drakonische «Strafen» beim Verstoà gegen die Arbeits- oder Lagerordnung
angedroht. Sie reichten von SchlĂ€gen ĂŒber die Einweisung in ein AEL oder Konzentra-
tionslager bis zum Tod durch den Strang.
Seit 1942 war der Zwangsarbeitereinsatz im Deutschen Reich ein MassenphÀno-
men.23 Binnen kurzer Zeit entstanden Tausende von Lagern. Ihre Gesamtzahl wird
auf etwa 30.000 geschĂ€tzt ; sie waren ĂŒber das ganze Reichsgebiet verstreut, konzent-
rierten sich aber vor allem in den Industriegebieten. Die Firmen, die Zwangsarbeiter
beschÀftigten, errichteten die Barackenlager bevorzugt auf dem eigenen GelÀnde oder
in der NÀhe des Betriebs. Obwohl die Zwangsarbeiterlager nicht primÀr der politischen
oder rassistischen Verfolgung dienten, ist doch eine nationale und «rassische» Hierar-
chisierung charakteristisch, die die Lebens- und Arbeitsbedingungen der «Fremdar-
beiter» bestimmte. Die besten VerhÀltnisse gestand man NiederlÀndern, DÀnen und
Norwegern zu. Es folgten Franzosen und Belgier, dann Ungarn, RumÀnen, Slowenen,
Griechen, Serben und Kroaten sowie schlieĂlich die Arbeiter aus dem Protektorat Böh-
men und MĂ€hren. Die schlimmsten Bedingungen mutete man den Arbeitern aus Polen
und der Sowjetunion zu. Seit 1943 wurden auch die italienischen MilitÀrinternierten
auf die unterste Stufe gestellt. Obgleich die Existenzbedingungen in den Zwangsarbei-
terlagern von einer Vielzahl von Faktoren abhingen (insbesondere der Art der Arbeit,
der Unterkunft, der ErnÀhrung, der medizinischen Versorgung sowie vom Verhalten
22 Zu diesen vgl. Herbert, Fremdarbeiter, S. 154â157. Zu den allgemeinen Rechtsgrundlagen des «Reichs-
einsatzes» vgl. auch Mark Spoerer : Die soziale Differenzierung der auslÀndischen Zivilarbeiter, Kriegs-
gefangenen und HĂ€ftlinge im Deutschen Reich, in : Echternkamp (Hg.), Das Deutsche Reich und der
Zweite Weltkrieg, Bd. 9/2, S. 485â576, hier 494â502.
23 Die massenhafte Zwangsrekrutierung von ArbeitskrÀften aus der Sowjetunion ging damit einher, dass
den ursprĂŒnglich freiwillig in das Deutsche Reich gekommenen Zivilarbeitern die Möglichkeit genom-
men wurde, in ihre HeimatlĂ€nder zurĂŒckzukehren. Sie wurden nun dienstverpflichtet und in Deutsch-
land festgehalten.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen