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Deportiert nach Mauthausen, Band 2
Seite - 69 -
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69Von Weggabelungen und Einbahnstraßen | Das Novemberpogrom markiert in der Lebensgeschichte Kleinmanns einen deutlichen Wendepunkt : Nachdem der Alltag einer jüdischen Familie durch die zahlreichen anti- jüdischen Maßnahmen bereits markanten Einschränkungen unterworfen worden war, wurde in der «Reichskristallnacht» die Familie Kleinmann zum ersten Mal physisch bedroht. An anderer Stelle erzählt Fritz Kleinmann, dass er damals auch von Nachbarn, die sich der SA angeschlossen hatten, verhaftet wurde. Die zunehmend antijüdische Stimmung und Politik hatte Einzug in das private Leben und Umfeld der Kleinmanns gehalten. Ganz anders waren die Auswirkungen, die die nationalsozialistische Machtüber- nahme auf Hermann Leins Alltag hatte, der zu dieser Zeit bei «Neuland» engagiert war : Mit der automatischen Integration des katholischen Jugendverbandes in die Hitler- jugend verschwamm für Lein jenes Zugehörigkeitsgefühl, das er gegenüber «Neuland» empfunden hatte, und gemeinsam mit anderen Jugendlichen gründete er eine neue Pfarrgruppe, die beschloss, sich dem Regime entgegenzustellen. Hermann Lein schil- dert die Gründung dieser Gruppe als unmittelbare Reaktion der Jugendlichen auf die Eingliederung ihrer Vorgängerorganisation in die Hitlerjugend : «Naja. Na schauen Sie. 38 ist also der größte Teil meiner [betont] Gruppe allerdings, es hat damals nicht mehr Neuland gegeben, die, die war, die waren schon HJ. Das, das kenn ich auch alles. Ned, also. Ich tu mir da nichts vor machen. Und, –  – naja, –  –  – wir haben uns zurückgezogen und wir haben uns unscheinbar gemacht. –  – Und mehr konnte man nicht machen, nicht. –  – Das heißt, es ist so, die, die Nazi haben ja den, den, –  – den katholischen Jugendlichen sozusagen eine Lücke offen gelassen. Das heißt, also es war durchaus möglich, in einer Pfarrstunde religiöse Vermittlungen zu gehen [sic]. –  –  – Und so waren wir auch eine solche Pfarrgruppe.»35 Warum ein Teil der ehemaligen «Neuland»-Mitglieder sich konkret dazu entschlossen hatte, sich oppositionell zu engagieren, geht aus der Erzählung nicht hervor. Deutlich wird aber, dass Hermann Lein die Gründung der Pfarrgruppe als einen den Jugend- lichen bewussten Prozess schildert mit dem Ziel, nationalsozialistische Strukturen zu unterlaufen. Zwar wurde der Aktionsradius für die Gruppe begrenzter und ihre Tätigkeit risikoreicher. Hermann Lein berichtet im Interview auch von Spitzeln, die eingeschleust wurden, sowie von Gestapo-Kontrollen. Die Jugendlichen blieben aber in ihrer widerständigen Praxis zunächst aktiv und konnten eine Lücke des national- sozialistischen Systems für sich nutzen. Der Bruch, den die nationalsozialistische Machtübernahme für Lein zunächst bedeutete, war also  – anders als etwa bei Fritz Kleinmann  – durch eine Reaktion der Jugendlichen auf die politische Veränderung ge- kennzeichnet, die sie  – im Gegensatz zu den Erfahrungen Horvaths und Kleinmanns  – weiterhin aktiv und handlungsfähig bleiben ließ. 35 AMM, MSDP, OH/ZP1/003, Interview Lein. Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen Band 2
Titel
Deportiert nach Mauthausen
Band
2
Autoren
Gerhard Botz
Alexander Prenninger
Regina Fritz
Herausgeber
Melanie Dejnega
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21216-4
Abmessungen
16.8 x 23.7 cm
Seiten
716
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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