Seite - 218 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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218 | Katja Happe
worden waren.43 Das «Englandspiel» war der erfolgreiche Versuch der deutschen Ab-
wehr, falsche Nachrichten nach GroĂźbritannien zu ĂĽbermitteln. Im Jahr 1942 konnte
die Funkverbindung niederländischer Geheimagenten abgehört und entschlüsselt wer-
den. Nach der Gefangennahme einiger Agenten zog die deutsche Abwehr eine groĂź
angelegte Aktion auf, um den Funkverkehr mit GroĂźbritannien weiterzufĂĽhren, ge-
heime Informationen zu erhalten und gleichzeitig falsche Informationen zu versenden.
Erst Ende 1943 waren die britischen Geheimdienste sicher, dass ihre Funkverbindun-
gen in die Niederlande von der deutschen Abwehr aus gelenkt wurden. Im April 1944
endete das «Englandspiel». Insgesamt nahmen die Deutschen während der gesamten
Aktion 54Â Agenten fest, die von GroĂźbritannien aus in den Niederlanden abgesetzt
worden waren. Von ihnen wurden 47 nach dem Ende des «Englandspiels» zunächst
nach Oberschlesien gebracht, der größte Teil von dort aus weiter nach Mauthausen, wo
ĂĽber 40Â
Agenten aus den Niederlanden am 6. und 7. September 1944 ermordet wurden.
Die übrigen Niederländer, von denen auch die wenigen Interviews von Überleben-
den innerhalb des Mauthausen Survivors Documentation Project stammen, gelangten
auf verschiedenen Wegen und aus unterschiedlichen GrĂĽnden nach Mauthausen. Wie
viele von ihnen nach Mauthausen kamen und wie viele das Lager überlebten, lässt sich
nur durch genauere Forschungen herausfinden. Einige derjenigen, die 1944 in Maut-
hausen ankamen, waren Verhaftete, die aufgrund des «Nacht-und-Nebel- Erlasses»
inhaftiert worden waren.44 Die Nacht-und-Nebel-Häftlinge waren Personen, die die
Besatzungsbehörden in den besetzten nord- und westeuropäischen Ländern verdäch-
tigten, dem Widerstand anzugehören. Sie wurden ohne Verurteilung inhaftiert, ihre
Angehörigen erhielten keine Nachrichten über ihren Aufenthaltsort oder ihren Ge-
sundheitszustand. Zu diesen insgesamt mehreren Hundert aus den Niederlanden de-
portierten Nacht-und-Nebel-Häftlingen gehörte auch Maria van Bueren-Schalker.45
Ihr Vater war im Widerstand aktiv und wurde nach seiner Verhaftung in den Nie-
derlanden exekutiert. Auch sie selbst beteiligte sich durch das Verteilen illegaler Zei-
tungen am Widerstand gegen die Besatzungsbehörden. Nach ihrer Verhaftung war sie
zunächst fast ein Jahr im berüchtigten Gefängnis Oranjehotel in Scheveningen inhaf-
tiert, bevor sie über verschiedene andere Gefängnisse im Deutschen Reich und das KZ
43 Jo Wolters : Dossier Nordpol. Het Englandspiel onder de loep [Dossier Nordpol. Das Englandspiel unter
der Lupe], Amsterdam 2003, S. 25–31 ; Hans Schafranek : Unternehmen «Nordpol». Das Englandspiel
der deutschen militärischen Abwehr in den Jahren 1942–1944, in : ders./Johannes Tuchel (Hg.), Krieg im
Äther. Widerstand und Spionage im Zweiten Weltkrieg, Wien 2004, S. 247–291 ; de Jong, Koninkrijk der
Nederlanden, Bd. 5/2, ’s-Gravenhage 1974, S. 912–927 und Bd. 9/1, ’s-Gravenhage 1979, S. 976–1085.
44 Lothar Gruchmann : «Nacht- und Nebel»-Justiz. Die Mitwirkung der Strafgerichte an der Bekämpfung
des Widerstandes in den besetzten westeuropäischen Ländern 1942–1944, in : Vierteljahrshefte für Zeit-
geschichte 29.3 (1981), S. 342–396 ; de Jong, Koninkrijk der Nederlanden, Bd. 8/1, ’s-Gravenhage 1978,
S. 42–49.
45 AMM, MSDP, OH/ZP1/834, Interview mit Maria van Bueren-Schalker, Interviewer : Frank Aarts, Den
Haag, 20. 6. 2002.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen