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4ü i. Einführung
Um diese klangliche Unausgewogenheit zu vermeiden, schlägt Eisler vor, den Streicher-
apparat mit zwei Geigen, Bratschen, Celli und Kontrabässen zu erweitern sowie das Holz
zwei- bis dreifach zu besetzen, um das Filmorchester dem symphonischen anzunähern.
In Kapitel 3 dieser Arbeit wird gezeigt, dass Max Steiner in seiner Musik zu Casa-
blanca sowohl homophone als auch polyphone Gestaltungsprinzipien anwendet. Ein
Beispiel für homophone Strukturen wäre das Stück Africa aus der Einleitungsmusik.
Eine von Holzbläsern und Streichern unisono vorgetragene Kantilene wird durch eine
von Blech- und Saiteninstrumenten gespielte ostinate Begleitung unterstützt (vgl. Kap.
3.5.1). In seinem Titel Nazi Spy, der einem Teil der Rückblende unterlegt ist, wendet Stei-
ner bewusst polyphone Stimmführungen an, um durch die so entstehenden Dissonanzen
ein Gefühl der Beklemmung hervorzurufen (die entsprechende Filmsequenz zeigt den
deutschen Einmarsch in Frankreich, vgl. Kap. 3.5.2.4). Hermann Grabner schreibt in sei-
ner Harmonielehre über Dissonanzen im polyphonen Satz:
„Im Zuge linearer Entwicklung werden auch komplizierte Intervallverhältnisse vom Ohr
mühelos und ohne Bewusstwerden der gespannten Dissonanzwirkungen aufgenommen."48
Max Steiner wendet die Dissonanzspannungen dort an, wo sie dem Spannungsmoment
der Filmhandlung dienlich sind. Er lässt sie dort weg, wo sie dem Gebot der Klarheit
zuwiderlaufen. Da seine Skizzen sehr eindeutig waren und zudem Hugo Friedhofer ge-
nau wusste, wie die Vorstellungen Steiners in konkrete Orchestersprache zu übersetzen
waren, kann man davon ausgehen, dass es in der Filmmusik zu Casablanca, wie natür-
lich in den anderen Werken Steiners auch, stets eine differenzierte, den Erfordernissen
des Filmes angepasste, wahlweise homophone oder polyphone Satzweise gibt. Hugo
Friedhofer hat die Partitur für Casablanca auf vorgefertigte Partiturbögen geschrieben
und nutzt das gesamte Orchesterspektrum. In der Partitur stehen, von oben nach unten,
Flöten (Piccolo und normale Querflöte, deren Stimme im Regelfall von der Piccoloflöte
oktaviert gedoppelt wird), Oboen, Englischhorn, Klarinetten (in B und in A, sowie Bass-
klarinette), Bassoon (Fagott), Hörner (meist in F), Trompeten, Posaunen, Tuba, Pauken,
Vibraphon, Harfe, Celeste, ein oder zwei Klaviere, Schlagwerk und der komplette Strei-
cherapparat. Die klangliche Nähe zu Komponisten wie Strawinsky oder Richard Strauss,
die Kurt Weih1 in seinem Aufsatz angesprochen hat, findet sich in dieser Orchestrierung
wieder.
48 Hermann Grabner: Harmonielehre. Bärenreiter Verlag. Kassel, 1994. S. 199.
Der Filmkomponist Max Steiner
1888 - 1971
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Der Filmkomponist Max Steiner
- Untertitel
- 1888 - 1971
- Autor
- Peter Wegele
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 302
- Schlagwörter
- Film Music, Biography, Cinema, Musical science, Musicology, History of Music
- Kategorie
- Biographien