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6% i. Einführung
sehen Eindruck zu verstärken, und andererseits auch von Filmkomponisten wie Steiner
verwendet, die in ihrer Arbeit den Effekt einer möglichst genauen Bild-Musik-Synchro-
nisierung anstreben.
Nicht nur die Filmmusik, sondern bereits das Musiktheater des 19. Jahrhunderts
setzte auf deskriptive Elemente. Der Begriff „deskriptiv" meint hier das genaue, „wört-
liche", zeitgleiche Umsetzen des visuellen Geschehens in Musik. Dieses Prinzip der tau-
tologischen Verdopplung von Bild und Musik wurde in der Rezeption eher kritisch be-
wertet. So schrieb Hanns Eisler 1958:
„... diese entsetzliche Wagnersche Illustrationstechnik. Wenn von einem Hund gespro-
chen wird, bellt es im Orchester, wenn von einem Vogel gesprochen wird, zwitschert es
im Orchester, wenn vom Tod gesprochen wird, werden die Herren Posaunisten bemüht,
in der Liebe gibt es die geteilten hohen Geigen in E-Dur, und beim Triumph setzt das
bewährte Schlagzeug auch noch ein. Das ist unerträglich."95
Auch Filmkomponisten wie Steiner haben sich dieses Verfahren angeeignet und in ihre
Musik integriert. Auch sie sind dafür bisweilen heftig angegriffen worden. So kritisierte
Cocteau 1954 die Technik des Mickey Mousing als die vulgärste aller Filmmusiktechniken,
die keinerlei Interpretationsmöglichkeiten offenlasse.96 Die beiden Autoren Georg Maas
und Achim Schudack schreiben gar, dass die Versuche Steiners, dem Leinwandgeschehen
sekundengenau musikalisch Rechnung zu tragen, aus heutiger Sicht „anrührend" seien. 97
Dabei hat Steiner z. B. in der Musik für Casablanca dieses Mickey Mousing nur an Schlüs-
selstellen eingesetzt. Beispielsweise in der Szene, in der Ingrid Bergmann plötzlich eine
Pistole zieht, um Bogart zum Herausgeben der Transitvisa zu bewegen. Oder am Schluss,
als Claude Rains als Captain Rinault eine Flasche Vichy-Wasser in einen Mülleimer wirft
und so symbolisch seine Kollaboration beendet. Dieser Symbolgehalt war für die Macher
so wichtig, dass sie sich eine Flasche original Vichy-Wasser besorgten, die ein französi-
scher Immigrant mitgebracht hatte. Das Verfahren des Mickey Mousing ist also nicht im-
mer nur deskriptiv. Der Zuschauer kann dadurch ohne große Erklärung oder Begrün-
dung innerhalb von Sekunden zu einer gewünschten Assoziation gebracht werden.
Katryn Kalinak bespricht in ihrem Buch Settling the Score Steiners Musik zu dem Film
The Informer und nimmt dort eine differenziertere Betrachtung des Mickey Mousing vor:
95 Zit. in: Claudia Bullerjahn, 2001. S. 83.
96 Vgl. New Grove Dictionary of Music. Artikel über Filmmusik. Veröffentlicht online auf: www.
csub.edu
97 Georg Maas/Achim Schudack, 1994. S. 42.
Der Filmkomponist Max Steiner
1888 - 1971
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Der Filmkomponist Max Steiner
- Untertitel
- 1888 - 1971
- Autor
- Peter Wegele
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 302
- Schlagwörter
- Film Music, Biography, Cinema, Musical science, Musicology, History of Music
- Kategorie
- Biographien