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(2020)Sabrina
Stranzl | âYour ignorance is more scandalous than my promiscuityâ
ihrer Existenzberechtigung als selbsternannte Experten und bald wird deutlich: Mit den
Sexarbeiterinnen selbst will niemand sprechen [...].â47
Daraufhin wurde 2011 das Prostitutionsgesetz in Wien novelliert und der StraĂenstrich
â die sichtbare Sexarbeit â an den Stadtrand und in ein Industrieviertel verdrĂ€ngt. Hier zeigt
sich, dass âStĂ€dte [auch] SchauplĂ€tze des Politischen [sind]â.48 Argumentiert werden solche Ver-
drĂ€ngungsmechanismen âmit der BelĂ€stigung von Anrainer_innen, der Verschmutzung des
öffentlichen Raums und der SchÀdigung der Reputation Wiens als Tourismus- und Wirt-
schaftsstandortâ.49
Andere RĂ€ume â VerhĂ€uslichung und Heterotopien
Martina Löw und Renate Ruhne schreiben, dass sich das Feld der Sexarbeit in den letzten Jahr-
zehnten gewandelt hat; sie stellen eine âVerhĂ€uslichungâ der Sexarbeit fest und meinen damit
die Verlagerung vom öffentlichen in den geschlossen Raum â in die âUnsichtbarkeit von pro-
stitutivem Geschehenâ.50 Generell lĂ€sst sich eine Zunahme der âindoor prostitutionâ fĂŒr ganz
Europa erkennen.51
Durch die Mechanismen der VerhÀuslichung wird laut Löw und Ruhne nicht nur eine
rÀumliche, sondern auch eine geschlechts- und klassenspezifische Komponente sichtbar:
âĂber die rĂ€umliche Trennung des prostitutiven vom soliden Frauenkörper wird die kĂ€uf-
liche SexualitÀt von der ehelichen SexualitÀt (mit Monogamieanspruch) separiert. Gleich-
zeitig wird die StraĂenkultur der als Unterschicht wahrgenommenen Prostitutionsszene
dem Blick entzogen.â52
Dabei werden konstruierte gesellschaftliche Moralvorstellungen offenbart, infolgedessen
âgeht es um die âReinigungâ des öffentlichen Raums von Handlungsformen und Symbolen, die
mit Dreck, VulgaritĂ€t, Lasterhaftigkeit, Unanstand oder Faulheit assoziiert werdenâ.53 Durch
den Prozess der VerhĂ€uslichung wird aber nicht nur Sexarbeit an sich von der StraĂe geholt,
sondern die dort arbeitenden Frauen werden unsichtbar. Das wiederum zeigt, dass in der gesell-
schaftlichen und medialen Wahrnehmung die sozialen Strukturen in den Hintergrund rĂŒcken
und rÀumliche Strukturen im Fokus der Wahrnehmung stehen.
Infolge dessen wird in der Auseinandersetzung mit RĂ€umen der Sexarbeit vordergrĂŒndig die
Frage nach Diffusion und Konzentration behandelt. Konzentration hat eine einfache Kontrol-
lierbarkeit aus Sicht der Staatsgewalt (Stadtregierung und Polizei) zum Vorteil, die Verstreuung
47 P. Unger: Topographie einer Vertreibung â Eine Skizze, http://stadtform.at/aktuelles/sexarbeit-in-der-stadt/
(Zugriff: 2.2.2019).
48 Vgl. J. Rolshoven, Stadtsicherheit 2.0. Camouflage der WidersprĂŒche, S. 41.
49 Vgl. H. Amesberger: Sexarbeit in Wien, S. 178-179.
50 Vgl. Martina Löw, Renate Ruhne: Prostitution. Herstellungsweisen einer anderen Welt. Frankfurt am Main
2011, S. 71-81.
51 Vgl. dies.: âEine umfangreiche Konzeption, die Dirnen von den StraĂen zu holenâ. Zur VerhĂ€uslichung der Pros-
titution in Frankfurt/Main. In: Sabine Granz, Martin LĂŒcke (Hg.): Verhandlungen im Zwielicht. Momente der
Prostitution in Geschichte und Gegenwart. Bielefeld 2006, S. 177-208, hier S. 177-178.
52 Ebd., S. 202.
53 Vgl. ebd.
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 1/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 108
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal