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Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1 (2020)
Sabrina Stranzl | âYour ignorance is more scandalous than my promiscuityâ 53
ĂŒber die gesamte Stadt wiederum wĂŒrde zu einer Unsichtbarkeit fĂŒhren. Die Konzentrierung
auf bestimmte Stadtviertel fĂŒr Sexarbeit fĂŒhre aber âzu einer Unsichtbarkeit fĂŒr viele Stadtbe-
wohner_innen [...] und [wĂŒrde] Vorurteile verstĂ€rken.54 Durch die Konzentration von Sexarbeit
auf einzelne Gebiete, so definiert es Martina Löw, entstehen Orte des Anderen: âalle negativen
Attribute von dreckig ĂŒber gewalttĂ€tig bis hin zu unmoralisch könnten hier lokalisiert werden
und dabei in der Abgrenzung der eigene[n] Ort[e] als âreinâ beschrieben werdenâ.55 Bordellen,
LaufhĂ€usern und ganzen Rotlichtvierteln werden solche Attribute zugeschrieben â wie meine
Beobachtung zu Beginn illustriert.
Michel Foucault nennt solche anderen Orte oder RĂ€ume Heterotopien, âdie sich in ihrer
Andersartigkeit dem alltĂ€glichen Raum und seinen Gesetzen entgegenstellenâ56 â âsie in gewis-
ser Weise sogar auslöschen, ersetzen, neutralisieren oder reinigen sollenâ57: âGegenplatzierungen
oder Widerlager, tatsÀchlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen PlÀtze innerhalb der
Kultur gleichzeitig reprĂ€sentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaĂen Orte auĂerhalb
aller Orte, wiewohl sie tatsĂ€chlich werden können.â58 FĂŒr Foucault besitzen Heterotopien âein
System der Ăffnung und AbschlieĂung [âŠ], welche sie von der Umgebung isoliertâ, sie sind
inmitten der Ăffentlichkeit, aber gegen die AuĂenwelt völlig abgeschlossen und zugleich auch
vollkommen offen.59 âDie Heterotopie ist ein offener Ort, der uns jedoch immer nur drauĂen
lĂ€sstâ, und doch âgibt es noch Heterotopien, die offen zu sein scheinen, aber zu denen nur
bereits Eingeweihte Zutritt haben. Man meint, Zugang zum Einfachsten und Offensten zu
finden, doch in Wirklichkeit ist man mitten im Geheimnis.â60 Hierbei spricht Foucault explizit
von FreudenhÀusern. Er schreibt SexarbeitsrÀumen die Eigenschaft zu, alle anderen RÀume in
Frage zu stellen, âindem sie eine Illusion schaffen, welche die gesamte RealitĂ€t als Illusion ent-
larvtâ.61 Vor diesem Hintergrund können solche Orte und RĂ€umlichkeiten â âIllusionshetero-
topienâ62 â als âauĂeralltĂ€gliche ErfahrungsrĂ€ume mit eigenen Regelsystemen charakterisiert
werdenâ. Melanie Hinz zufolge sind sie somit âRĂ€ume der Begehrensproduktionâ und ânehmen
nicht nur die Funktion ein, emotionale und leibliche IntensitĂ€ten oder auĂeralltĂ€gliche Grenz-
erfahrungen zu ermöglichen, sondern auch einen Raum der Phantasie fĂŒr den Einzelnen zu
kreierenâ.63
Georg Wolfmayr zufolge formuliert Martina Löw die âBeziehung zwischen dem âeigenenâ
und dem âanderenâ Raumâ folgendermaĂen:
54 Vgl. Georg Wolfmayr: Das Interesse am Verbotenen. Die (Re)Produktion rÀumlicher Differenz im Nonstop-Kino
Graz. Graz 2010, S. 89-91.
55 Martina Löw: BlickfÀnge: RÀumlich-geschlechtliche Inszenierungen am Beispiel der Prostitution. In: Helmuth
Berking (Hrsg.): Die Macht des Lokalen in einer Welt ohne Grenzen. Frankfurt am Main 2006, S. 181-198, hier
S. 185; Martina Löw zit. n. G. Wolfmayr: Das Interesse am Verbotenen, S. 91.
56 Melanie Hinz: Das Theater der Prostitution. Ăber die Ăkonomie des Begehrens im Theater 1900 und der Geg-
enwart. Bielefeld 2014, S. 59.
57 Michel Foucault: Die Heterotopien. Der utopische Körper. Zwei RadiovortrÀge. Berlin 2005, S. 10.
58 Michel Foucault zit. n. Wolfmayr: Das Interesse am Verbotenen, S. 91.
59 Vgl. M. Foucault: Die Heterotopien, S. 18.
60 Ebd., S. 19.
61 Ebd.
62 Michel Foucault zit. n. M. Hinz: Das Theater der Prostitution, S.60.
63 Vgl. M. Hinz: Das Theater der Prostitution, S. 60.
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Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 1/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 108
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal