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Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1 (2020)
Anna Riegler | Die urbane Zeichenlandschaft 71
und somit das subjektive Sicherheitsgefühl, beeinträchtigt. Dies wirke sich wiederum nega-
tiv auf den ,,Einzelhandelsstandort Innenstadt“ aus. Dieser Argumentationslinie folgt auch
die umstrittene Broken-Window-Theorie von Wilson und Kelling (1982), laut der ein direkter
Zusammenhang zwischen dem Verfall eines Stadtteils und der dort auftretenden Kriminalität
bestehe.42
Die Inanspruchnahme von Raum, die nicht den Vorstellungen von Ordnung, Sauberkeit
und Ästhetik entspricht, scheint die Kontrolle über Raum zu untergraben. Wehrheim inter-
pretiert Graffiti somit als Symbol ,,für Gefährdung von Macht im und durch Raum“.43 Er
resümiert, dass im Umgang mit Graffiti alle Aspekte einer umkämpften Stadt sichtbar werden:
,,Sauberkeit mit der Verdrängung von Nutzungsformen und Personen, Angstdiskurs mit Stra-
tegien zur Revitalisierung von Innenstädten sowie Kriminalprävention mit der Okkupation
von Raum“.44
Das Recht im und am öffentlichen Raum – Ein Fazit
Der Stadttext stellt eine wichtige Kommunikationsfläche im urbanen Raum dar. Botschaften
im öffentlichen Raum können eine machtvolle Wirkung haben sowie vielfältige Funktionen
erfüllen. Die Konstituierung des Stadttextes ist, als Teil des öffentlichen Raumes, von vielfälti-
gen Aushandlungsprozessen begleitet. Dabei handelt es sich einerseits um den Aushandlungs-
prozess, was sichtbar sein darf und andererseits, welche Formen der Einschreibung als legitim
erachtet werden.
Der ,,offizielle“ Stadttext dient primär kommerziellen und reglementierenden Zwecken.
Unautorisierte Eingriffe in den Stadttext sind nicht vorgesehen, dennoch schreiben sich
Akteur*innen in den politisch und ökonomisch vorstrukturierten Stadttext ein. Hinter diesen
Einschreibungen stehen persönliche, künstlerische, politische sowie kommerzielle Intentionen.
Akteur*innen wollen mit ihren Botschaften im öffentlichen Raum sichtbar sein und ihre spezi-
fischen Interessen vertreten.
Die Zuständigkeit über die Kontrolle und Überwachung des öffentlichen Raumes und
somit auch die Frage, was im Stadttext sichtbar sein darf, wird den staatlichen Institutionen
zugeschrieben. Die Reglementierung des öffentlichen Raumes wirkt sich auch auf die Konsti-
tuierung des Stadttextes aus. Die Möglichkeit der individuellen autorisierten Einschreibung in
den Stadttext ist stark eingeschränkt und steht in engem Zusammenhang mit der Verfügung
über ökonomisches sowie auch soziales und kulturelles Kapital. Die soziale Positionierung der
Akteur*innen prägt deren räumliche Praktiken und damit deren Ausdrucksformen bei der
Aneignung öffentlichen Raums.
Unautorisierte Eingriffe in den Stadttext untergraben die Kontrolle und Autorität der Stadt-
politik. Sauberkeit und Sicherheit gelten als primäre Argumente, um gegen diese unerwünsch-
ten Verhaltens- und Nutzungsformen juristisch und exekutiv vorzugehen. Die Konstituierung
des Stadttextes sowie der Umgang mit unautorisierten Eingriffen sind damit Ausdruck eines
sozialen Kampfs um städtisches Territorium.
42 Vgl. Jan Wehrheim: Die überwachte Stadt, S. 122.
43 Vgl. ebd., S. 123.
44 Ebd.
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 1/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 108
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal