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(2020)Christine
Fürst | Die Wiener „Mahü“ rund um die Uhr
Lebensqualität“, mit öffentlichen Plätzen und Flächen als wichtigem Bestandteil des städti-
schen Lebens in Wien. Mit dem ersten August 2015 wurde dann schließlich die neue „Flanier-
meile“ eröffnet.18
Der Raum und seine Atmosphäre
Die Erfahrung macht den öffentlichen Raum zum Ort.19 Um dem räumlichen und atmosphä-
rischen Facettenreichtum der Mariahilfer Straße gerecht zu werden, dient der Blick durch ein
Kaleidoskop. Das fernrohrartige Gebilde, das beim Drehen durch die Spiegelung von bunten
Glassteinchen immer wieder neue Bilder entstehen lässt, – ohne dass dabei die Betrachter_
innen den Ort verlassen müssen – dient in der wissenschaftlichen Literatur häufig in unter-
schiedlichen Kontexten als Symbol der differierenden Bilderschaffung, wie beispielsweise im
Werk von Dirk Patrick Hengst „Mythos und Wissenschaft. Blicke durchs Kaleidoskop der
Kulturen“20. Der Blick durch das Kaleidoskop auf die Wiener Einkaufsstraße spiegelt Bilder
des sich wandelnden Gesichts einer Straße, die sich durch Heterogenität und Vielfalt, Kos-
mopolitismus, Eingrenzung und auch Ausgrenzung auszeichnet. Jürgen Hasse schreibt: „Für
das Erleben kommt es darauf an, wie die Straße auf ihrer materiellen Seite beschaffen ist und
in welcher Absicht und Stimmung man sich in ihren Raum begibt.“21 Hasse bezieht sich in
seiner Begriffsbestimmung der Atmosphäre auf den Philosophen Hermann Schmitz: bei der
sinnlichen Wahrnehmung stünden die „Beziehungen zwischen Umgebungsqualitäten und den
Befindlichkeiten“ im Mittelpunkt und durch das Zusammentreffen von Subjekt und Objekten
in einer Umgebung wird der Raum zu einer Sache des Erlebens, was als Atmosphäre wahrge-
nommen wird.22 „Der gelebte Raum ist sinnhaft, seine Objekte haben eine Identität und eine
Bedeutung, er besitzt eine Atmosphäre“, schreibt Eva Reblin.23 Dabei wird das subjektive Wahr-
nehmen jedoch stets durch Sozialisation, Bildung und Erziehung sowie durch zum Teil subtil
wirkende Prozesse der Vergesellschaftung beeinflusst.24
Eine Änderung des Stimmungscharakters eines Raumes – ausgelöst durch Irritatio-
nen wie beispielsweise die Gegenwart anderer Menschen, Lichtverhältnisse, Einblicke, Klima
oder Sichtbeziehungen – gelten oftmals als Ursache des Verlustes der vorherrschenden Atmo-
sphäre. Jürgen Hasse meint über das Verbalisieren von Atmosphäre: „Jede Aussage über das
Spüren von Atmosphären […] gründet in subjektivem Befinden wie in deutendem Denken“.25
Erika Fischer-Lichte beschreibt in ihrer „Ästhetik des Performativen“, dass die Wahrnehmung einer
wie auch immer gearteten Atmosphäre stets abhängig von der Stimmung des Betrachters sei.26
18 Vgl. „Mahü“ Magazin: www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/b008433.pdf (Zugriff 29.11.2018).
19 Vgl. Jürgen Hasse: Die Atmosphäre einer Stadt. Die Drosselgasse in Rüdesheim am Rhein, In: Ders. (Hg.), Sub-
jektivität in der Stadtforschung. Natur-Raum-Gesellschaft, Band 3. Frankfurt a.M. 2002, S 61-114, hier S. 62.
20 Vgl. Dirk Patrick Hengst: Mythos und Wissenschaft. Blicke durchs Kaleidoskop der Kulturen, Tönning 2004.
21 Ebd. S. 65.
22 Vgl. ebd.
23 Eva Reblin: Die Straße, die Dinge und die Zeichen. Zur Semiotik des materiellen Stadtraums. Bielefeld 2012, S.
28.
24 Vgl. ebd. S. 80.
25 J. Hasse: Die Atmosphäre einer Stadt, S. 80.
26 Vgl. Erika Fischer-Lichte: Ästhetik des Performativen. Frankfurt a. M. 2008, S. 209.
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Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 1/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 108
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal