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Mobile Culture Studies. The Journal 6 2o20 (Travel)
Mirja Riggert | Selbstporträt mit Spiegelreflex 127
den Metabildern verweigern eine fixierte Position im kulturellen Feld der Selbstpräsentation.
Mit der Subjektivierung der KameraausrĂĽstung an der eigenen Person unterwandern sie eine
allzu homogene Werbeplatzierung. Vielmehr wird die emphatische Hinwendung zum Du auch
in dieser personifizierten Vermittlung von Reisefotografie verstärkt, wird doch das Interesse
am Du dabei stets suggeriert. Zugleich heben sich, wie auf Sonne & Wolken präsentiert, die
Ebenen zwischen Betrachtenden und Dargestelltem auf. Die von Mitchell postulierte Desta-
bilisierung der Identität verhindert jede voyeuristische Betrachtung und nähert Ich und Du
einander in reziproker Betrachtung an. Diese Form der Subjekt-Objekt-Aufhebung ermöglicht
eine Gleichstellung von Erzählperson und Leser/innen. Zugleich erhöht die Selbstrücknahme
im Bild das inszenierte Interesse am Du. Diese Formen exaltierter Selbstreflexion legen einen
erhöhten Inszenierungscharakter der About Pages frei: Indem in stetiger Hinwendung zum Du
und Bezugnahme auf das Bloggen an sich die Konzentration auf das Selbst stilistisch durch-
brochen wird, können die Bloggerinnen ihre Produkte und sich selbst als reisendes Subjekt
gezielter vermarkten. Auf der narrativ besonders inkohärenten About Page von Sonne & Wol-
ken enthalten die vielen Verlinkungen zu weiteren Blogeinträgen in der rechten Spalte zum Bei-
spiel vielfach den Hinweis „Anzeige (da Orts/Markennennung)“ (Zieseniß, seit 2010) — eine
deutliche Markierung der Kommodifizierung der Seite. Es lässt sich darin also eine ähnliche
Inszenierungsstrategie der subjektivierten Werbeplatzierung mit betonter Du-Hinwendung wie
auf Globusliebe ablesen.
3 Medialisierung vs. Unmittelbarkeit
Besonders erhellend am innerbildlichen Vergleich ist der erkennbare Bruch zwischen präsen-
tierter Medialisierung einerseits und inszenierter Unmittelbarkeit der Reiseerfahrung anderer-
seits. Während die metanarrativen Darstellungen mit der Kamera in der Hand den Fokus
auf den medialisierten Charakter der Reiserepräsentation legen — alles ist durch die Kamera-
linse wahrgenommen und daher nur technologisch mittelbar; es gibt eine Diskrepanz zwischen
wirklich erlebter Reise und der dargestellten Reise — inszenieren jene Fotos, die die Prota-
gonistinnen in einer bereisten Landschaft sitzend zeigen, doch das Gegenteil. Hier bezeugen
wir als Betrachtende die Zeugenschaft der Reisenden: Wir sehen, dass sie sehen [Abb. 8]. In
dieser Repräsentation des Reiseerlebens — wir fühlen uns in die Szenerie integriert oder kön-
nen zumindest die Erfahrung der Reisenden nachempfinden — wird eine Unmittelbarkeit der
Reiseerfahrung inszeniert. Im visuellen Narrativ der About Pages zeigt sich also eine kontras-
tive Inszenierung: einerseits der wahrhaftigen Reisenachempfindung ĂĽber den teilhabenden
Blick von hinten, andererseits der medialisierten Reiseerfahrung ĂĽber die Fokussierung auf den
Blick durch die Linse. Diese Divergenz zwischen Medialisierung/Mittelbarkeit und Authenti-
zität/Unmittelbarkeit in der Reisedarstellung findet sich auf nahezu allen dieser Blogbeispiele.
Visuelle Konventionen werden dabei von Leitch (2019: 467) als wesentliche Bedingungen der
Authentizitätskonstruktion benannt. Indem ästhetische Muster an kursierende Repräsenta-
tionsformen anschließen und damit Wiedererkennung und Familiarität in der Betrachtung
stärken, würde die Glaubwürdigkeit jener erhöht. Dazu gehöre auch die Positionierung der
Betrachtenden vor der Bildebene, um so die Rolle von Augenzeugenschaft zu simulieren.
Für Janine Hauthal et al. können metanarrative Elemente entweder die Aufmerksam-
keit auf die Fiktionalität eines Mediums lenken und damit die Illusion der Fiktion stören
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Mobile Culture Studies, Band 2/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 2/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal