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Amtsbezirk Voitsbcrg. 421
Das Familienleben ist ganz patriarchalisch. Der Besizer mit seiner Familie
arbeitet mit dem Gesinde, ißt mit demselben an einem Tische, nachdem er das
Tischgebet vorgebetet, und wacht über die häusliche Moralität. Die Nahrung
der Gebirgbewohner besteht aus verschiedenen Mehl- und Milchspeisen. Mehlsuppen,
Sauerkraut und ähnlichem Gemüse; an Sonntagen oder wenigstens an hohen
Feiertagen kommt auch Fleisch auf den Tisch. In den Tal- und Hügelgegenden
ist dieselbe Nahrung vorherrschend; der türkische Sterz (selten Haidensterz), der
türkische Ofenkater (Maiskuchen, ähnlich der Polenta) uud das türkische Koch sind
die Hauptspeisen; Fleisch wird öfter genossen, uud zum Getränke dient gewöhnlich
Most (Birn- und Aepfelwein), öfters auch Echilcherwein, während der Gebirgbauer
wenn er keinen Most erzeugt, sich mit Wasser begnügen muß. Aberglauben und
Vorurtei le siud mancherlei. Vorzüglich fürchtet man sich vor dem Verschreien
der Kinder und jungen Tiere durch Fremde, wenn diese sie loben oder bewundern,
weshalb man oft Fremde nicht gerne in die Ställe oder zu den Kindern läßt. Gegen
die Impfung herrschten in manchen Gemeinden hartnäkige Vorurteile. In den
Gebirggemeinden von Kainach und Graden ist die Gewohnheit üblich, den Leichen im
Sarg den Hut fest über das Gesicht zu stülpen.
Herrschende Krankheiten sind Rheumatismen und Entzündungen mit ihren
Folgen: Gicht, Herzkrankheiten, Lungenübcl, Wassersucht u. f. w. Auch Schlagfiuß
kommt nicht selten vor. Die Cholera drang nie in diesen Bezirk ein, wol aber
herrschten häusig Scharlach, Blattern, Ruhr, Masern, Keuchhusten. Tifus:c. epidemisch
in demselben. Kretinismus in böherem Grade ist mir im Bez. nie vorgekommen,
wol aber häufig kretiuische Anlage, Blödheit, Trottelhaftigkeit und verkümmertes
Wachstum, zumal in den feuchten engen Gebirgschluchten und felbst im breiterm
Gößniztal. Verkümmertes Wachstum kommt auf den Niederungen der Gleinalpen,
der Roßbach« und Stubalpen am öftesten vor. Die Sterblichkeit ist nicht bedeutend
(Durchschnittalter bei 35 Jahre). Die Leichen werden in besserer Kleidung auf-
gebahrt, in der Nacht von den Nachbarn bewacht (wobei gebetet, getrunken und
abwerelnd gespielt wird), dann nach der gesezlichen Frist zu Grabe begleitet, wonach
die Begleiter gewöhnlich eiuem Leichenmale zusprechen.
An Woltätigkeit - Anstalten sind in diesem Bezirke 4 Armenspitäler (in
Noitsberg, Lankowiz, Mach, Ligist) und bei jeder Pfarre ein Armen-Institut.
In Köftach wurde auch eine Knappschaft-Lade gebildet uud ein Knappen-Spital mit
6 Betten errichtet. Auch im weiblichen Zwangsarbeit- und Strafhause zu Lankowiz
ist eine eigene Krankenabteilung; im geistlichen Korrekzionhause zu Voitsberg werden
die Korrigenden, weuu sie erkranken, in ibrcn Zimmern behandelt. Sanität-
personen befinden sich im Bezirke 27, nämlich 2 Dokt. d. Med. (in Voitsberg
und Köfiach). 44 Wundärzte (in Voitsberg, Stallhofen, Kainach, Bärnbach, Köflach,
Lankowiz, Edelschrot, Ligist, St. Johann je. 4, in Mooskirchen 2), 4 Apotheker
(inVoitsberg), 45 Hebammen und 3 Kurschmiede. Die Todtenbeschau wird in
7 Gebirgspfarren, wo sich kein Wundarzt befindet, größtenteils von den Schul-
lehrern verrichtet. In Voitsberg und Mach sind Abdeker. 2 Afterärzte und 2
Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Titel
- Medizinisch-statistische Topografie des Herzogtumes Steiermark
- Autor
- Mathias Macher
- Verlag
- Ferstl'sche Buchhandlung
- Ort
- Graz
- Datum
- 1860
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.91 x 20.62 cm
- Seiten
- 632
- Schlagwörter
- Topographie, Kartografie, Statistik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen