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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
GottesverehrungundSozialethik. Subjekt all dieser Stellen ist Israel, andas sie
als Du des Volksganzen oder als Ihr seiner einzelnenMitglieder appellieren.
Lieben soll Israel entwederGott (Dtn6,5; 11,1) oderdenNächsten (Lev19,18)
oder den Fremden (Lev 19,34;Dtn 10,19). Im altorientalischenwie biblischen
soziokulturellenMilieuwiderspricht ein ethischesVerhalten, das als Liebe ge-
fordertwird,nichtihremaffektivenGehalt:„anongoingpersonalandemotional
relationshipundergirdsformalizedlegalexpressionsofthatrelationship“.38Das
Deuteronomiumhatmansogar als „aprogramof sensory reform“bezeichnet,
„thatseekstoreshapehowtheselfrelatestotheworldbyteachingthesensesthat
mediatebetweenthem–theeyes,theears,andthetongue–toactinnewways“.39
Ohnehier zwischenEmotionenundGefühlen zuunterscheiden, lässt sich die
deuteronomischeKonzeptionvon „Lieben“ als eine „Handlungsemotion“ ver-
stehen.40
Wie gefühlsbetont schon Gott liebt, illustriert seine Liebe zu Vätern des
Volkes:Erhattesie„insHerzgeschlossen/sichansiegehängt(h
˙ a¯sˇaq),umsiezu
lieben (le ˘ahaba¯h ˘ita¯m)“.41Anders gesagt:WasGott sie lieben ließ, war keine
38 Lapsley, Feeling, S. 356.Dagegen sprichtKatrinMüller, Lieben ist nicht gleich lieben. Zur
kognitiven Konzeption von Liebe imHebräischen, in: AndreasWagner (Hg.), Göttliche
Körper – göttliche Gefühle.Was leisten anthropomorphe und anthropopathische Götter-
konzeptionen imAltenOrient und imAlten Testament, Orbis Biblicus Et Orientalis 270,
Fribourg-Göttingen 2014, S. 219–237, hier: S. 229, von einer „Rationalität der Liebe“ im
Deuteronomium, bei der es sich imLicht altorientalischer Staatsverträge um„keine emo-
tionaleLiebe“, sondern„umeineLoyalitäts- bzw.Dienstverpflichtung“handle. Zumjuris-
tischenTraditionshintergrundderLiebes.z.B.WilliamL.Moran,TheAncientNearEastern
BackgroundoftheLoveofGodinDeuteronomy,in:Ders.,TheMostMagicWorld.Essayson
Babylonian and Biblical Literature, ed. by R. S. Hendel, CBQ.MS 35, Washington 2002,
S. 170–181. Weiterführend Susan Ackerman, The Personal is Political. Convenantal and
Affectionate Love ( ˘A¯HE¯B, ˘AHA˘Bff) in theHebrewBible, in:VetusTestamentum52/2002,
S. 437–458.Die jüngsteForschungbetontauchdiekognitivenAspektederGefühle.
39 StevenWeizmann,SensoryReforminDeuteronomy, in:DavidBrakke/MichaelL.Satlow/
StevenWeizmann (Hg.), Religion and the Self inAntiquity, Bloomington/IN2005, S. 123–
139,hier: S. 135undS.125.
40 Dorothea Erbele-Küster, Gebotene Liebe. Zur Ethik einer Handlungsemotion im Deute-
ronomium, in:ManfredOeming (Hg.),Ahavah.Die LiebeGottes imAltenTestament,Ar-
beitenzurBibelund ihrerGeschichte55,Leipzig2018,S. 143–156.
41 Veijola, Deuteronomium, S.242, übersetzt „in Liebe angehangen“; Eckart Otto, Deute-
ronomium1–11.ZweiterTeilband:4,44–11,32,HerdersTheologischerKommentarzumAT,
Freiburgi.Br.2012,S. 1011,gibth
˙ a¯sˇaqmit„seinHerzgeschenkt“wieder.Dangl,Methoden,
weist darauf hin, dass zwischen dem Substantiv und dem Infinitivus constructus ˘ahaba¯h
wedermorphologisch noch semantisch einUnterschied besteht (S. 88Anm.459). Die se-
mantischeNominalisierungbetoneauchdieDauerhaftigkeitderLiebeGottes.Fernerkönne
le ˘ahaba¯halsAppositionmitJHWHverbundenundsemantischmitihmidentifiziertwerden,
ohneden finalenBezug („umzu“) zumPrädikat zu verlieren.Außerdemseiendie beiden
Appositionsverbindungen „Jahwe, dein Gott“ (10,14) und „Jahwe, lieben“ semantisch
gleichwertigundzueinerIsotopiezusammengeschlossen:„Siebeschreibenbeidefunktional
DerblindeFleck–dasGebot,denFremdenzu lieben 49
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Titel
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Untertitel
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Autoren
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Herausgeber
- Peter G. Kirchschläger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 722
- Kategorie
- Recht und Politik