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© 2020, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
ISBN Print: 9783847111658 – ISBN E-Lib: 9783737011655
keinenBodenbesitzundistdeshalbimBlickaufArbeitundLebensunterhaltvon
„einembei euchGeborenen“ abhängig.Wie schon imBundesbuch (Ex 22,20)
erwähnt, besteht für die Israeliten die Versuchung, seine wirtschaftliche Be-
dürftigkeitauszunützen.DievonLev19,34beanspruchtegrundlegende„Gleich-
wertigkeit“76verlangt abermehralsdenVerzicht aufÜbervorteilungundAus-
beutung von Abhängigen mit Migrationshintergrund. Der gerechte Umgang
wirdvonder liebendenZuwendungüberholt, diederFremdemitdemEinhei-
mischenteilensoll.77DasGesetzerweitertdeshalbdenGeltungsbereichderLiebe
vomNächstenaufdenFremden, der sichdauerhaft imLandaufhält (Vers 34).
MitderForderungderFremdenliebegewinntdas„alteFamilienethos“,nämlich
„dieZusammengehörigkeitundgegenseitigeVerantwortungvonMenschen,die
ineinerGlaubensgemeinschaft leben“,eine„neueDimension“.78Siewirddamit,
wie Israel seinenAufenthalt inÄgypten erlebt hat, anthropologischundheils-
geschichtlich begründet. Nach demHeiligkeitsgesetz (wie demBundesbuch –
vgl. Ex 22,20b; 23,9b) kennen die Israeliten das Fremdsein mit all seinen
rechtlichen, politischen undwirtschaftlichenDiskriminierungen aus ihrer ei-
genenGeschichte.SiekönnensichalsonichtnurindieSituationderFremdenin
Israel versetzen (vgl. Ex 23,9b), sondern sollen in ihnen auch ihralter ego er-
kennen.DarüberhinauserfülltdiedemFremdenerwieseneLiebe,wasLev19,2
verlangt: „Heilig sollt ihr sein/werden“!Die abschließende Selbstvorstellungs-
formel„IchbinJHWH,euerGott“ruftdieseHeiligkeitsforderunginErinnerung.
Dtn10,19 ist ausschließlichpositiv formuliert.VonAusbeutungundUnter-
drückung des Fremdenwie in Ex 22,20; 23,9 und Lev 19,33 wird nichtmehr
gesprochen.79Argumentiert Lev 19,34 bei der Fremdenliebemit derGoldenen
Regel,diezubefolgenZeichenderHeiligkeit Israels ist, sowirdsie inDtn10,19
durchdie vorgängigeLiebe JHWHszumFremden (Vers 18) theologischmoti-
viert. Dadurch „wird die Anthropologie und Ethik der Fremdenliebe so stark
76 Zehnder,UmgangS.344.
77 Zu konkretenAuswirkungen dieser Aufhebung desUnterschieds zwischen „imLandGe-
borenen und Fremden“ bei der Neuverteilung des Landes vgl. Ez. 47,22–23, sodass der
FremdeauchLandbesitzendarf.DieseTendenzwird jedoch,worauf z.B.GianniBarbiero,
Der Fremde im Bundesbuch und imHeiligkeitsgesetz, in: Studien zu alttestamentlichen
Texten, StuttgarterBiblischeAufsatzbände34, Stuttgart 2002, S. 221–254,hier: S. 248–249,
aufmerksammacht, vonderGesetzgebungdesHeiligkeitsgesetzes nicht durchgehalten (s.
Lev25,35–55).Vgl.Zehnder,Umgang,S. 345–348.
78 Gerstenberger,Leviticus, S. 248–249.
79 Literargeschichtlich folgertBenjaminKilchör,MosetoraundJahwetora.DasVerhältnisvon
Deuteronomium12–26 zuExodus, LevitikusundNumeri, Beihefte zurZeitschrift fürAlt-
orientalischeundBiblischeRechtsgeschichte21,Wiesbaden2015,dass„Lev19,33f.invollem
UmfangvonEx22,20undLev19,17f.hererklärt“und„imProgrammvonLev19,2gelesen
werden kann, ohne dass irgendein Rückgriff auf das Deuteronomium anzunehmen ist“
(S. 291undS.290).
GeorgBraulik58
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Titel
- Menschenrechte und Gerechtigkeit als bleibende Aufgaben
- Untertitel
- Beiträge aus Religion, Theologie, Ethik, Recht und Wirtschaft
- Autoren
- Irene Klissenbauer
- Franz Gassner
- Petra Steinmair-Pösel
- Herausgeber
- Peter G. Kirchschläger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-1165-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 722
- Kategorie
- Recht und Politik