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Theater als Medium höfischer Kommunikation
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Aufführungskontext. Sie machen es aus einem beliebig rezipierbaren Kunstwerk zu
einem Bestandteil eines ganz bestimmten höfischen Festes, dessen Funktionalität sie
es ganz grundsätzlich unterwerfen. Im Textdruck des Singspiels fungiert das den Üb-
lichkeiten zahlloser Librettodrucke der Zeit entsprechend gestaltete Titelblatt als der
entscheidende ›Marker‹ im Funktionszusammenhang der herrschaftlichen Repräsen-
tation. Der Titel des Singspiels Die unveränderte treue Ehegattin Penelope steht zwar an
erster Position. Dominiert wird das Titelblatt des Textbuches jedoch durch den genau
in der Blattmitte platzierten und im Vergleich zum Namen der Hauptfigur des Stückes
druckgraphisch durch dreimal so große Lettern hervorgehobenen Namen des Fürsten.
Allein schon dadurch ist die Relation zwischen der fiktionalen Handlung und ihrem
institutionellen Rahmen, dem dynastischen Fest im lebensweltlichen Zusammenhang
des Gothaer Herrscherhauses, deutlich hervorgehoben: Das Singspiel erscheint als Spiel
im größeren Spiel der fürstlichen Selbstdarstellung, zu der es einen nicht unwichtigen
Beitrag leistet, die aber auch umgekehrt Bedingung für die künstlerische Produktion
überhaupt ist. Der Druck des Textbuches gibt sich nicht nur durch sein Titelblatt, aber
doch hauptsächlich durch dieses, als Strategie medialer Repräsentation zu erkennen:
Er hebt den Herrscher hervor, stellt das dynastische Ereignis, den Fürstengeburtstag,
durch seine Nennung aus, verleiht diesem Ereignis ebenso wie dem zu dessen Feier an-
gestellten vergänglichen Fest Dauer und verweist mit dem theatralischen Ereignis, das
der Stücktitel annonciert, auf die kulturelle Potenz des Hofes. Erst durch die Rahmung,
aber durch die Rahmung eben definitiv, wird diese Penelope zu einem Gothaer Stück.
Zum Singspiel des Gothaer Hofes wird das Stück, zweitens, natürlich auch durch die
Musik, die vermutlich vom Hofkapellmeister Mylius stammt.27 Dass die Komposition
Draghis nach Gotha gelangt sein könnte, ist unwahrscheinlich. Sie wäre mit Keils Text-
fassung wohl auch schwerlich kompatibel gewesen. Zumindest gibt es keinen Hinweis
auf die Verwendung von Draghis Musik in Gotha.
Drittens kann die Inszenierung »Auf der Hoch-Fürstlichen Schaubühne zum Frie-
denstein« nicht anders als völlig eigenständig angenommen werden, entsprechend
den Gegebenheiten und Möglichkeiten des künstlerischen Personals einerseits und der
Bühne im Westturm des Schlosses Friedenstein mit seiner allerdings bemerkenswerten
Bühnentechnik andererseits.28
Und viertens schließlich muss die Aufführung als das eigentliche Ereignis angesehen
werden, bei dem der Text nur ein, wenn auch wichtiges Element bildet. Erst in der Auf-
führung entsteht in der Interaktion zwischen Bühne und Zuschauern, hier eben nicht
der Wiener, sondern der Gothaer Hofgesellschaft, ein von der konkreten Situation nicht
ablösbarer Sinn. Leider lässt sich mangels überlieferter Dokumente der Aufführungs-
27 Böhme behauptet, jedoch ohne Belege, dass das Singspiel »nie durchkomponiert worden« sei. Vgl.
Böhme 1931, S.
102. »Durchkomponiert« im Sinne einer Komposition des gesamten Haupttextes waren
aber die übrigen Gothaer Singspiel-Libretti ganz sicher auch nicht.
28 Vgl. hierzu Dobritzsch 2004.
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Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Hof – Oper – Architektur
- Titel
- Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
- Untertitel
- Hof – Oper – Architektur
- Autoren
- Margret Scharrer
- Heiko Laß
- Herausgeber
- Matthias Müller
- Verlag
- Heidelberg University Publishing
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-947732-36-4
- Abmessungen
- 19.3 x 26.0 cm
- Seiten
- 618
- Schlagwörter
- Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
- Kategorie
- Kunst und Kultur