Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Kunst und Kultur
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur
Seite - 77 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 77 - in Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur

Bild der Seite - 77 -

Bild der Seite - 77 - in Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur

Text der Seite - 77 -

Theater als Medium höfischer Kommunikation 77 kritisiert wird der durch seine Passion getriebene Odysseus zudem durch seinen Sohn Telemach, welcher mit der Stimme der Vernunft spricht und den Vater mehrfach  – und vergeblich  – von seinem Wahn abzubringen versucht: »Der Eyfer ist im ersten Zornes Triebe Meist blind  /  und trifft nicht leicht das rechte Ziel.« (III/3) Telemach kritisiert aber zugleich auch den Liebeswahn der übrigen Freier, der sich von dem des Ulysses nicht wesentlich unterscheidet: »Es trifft wohl redlich ein / Daß der so stoltz und der verliebt wil seyn / Pflegt gar zu leicht in Wahnwitz zu gelangen / Und man dahero mehr als wahr befindt / Daß Lieb und Zorn und Ubermuth sind blind.« (III/4) Insbesondere an Odysseus führt das Stück die gefährlichen Folgen blinder Eifersucht vor, ganz ähnlich wie in Shakespeares Othello. Doch während Desdemona das schuldlose Opfer des rasenden Othello wird, behält Penelope bis zum Schluss die Kontrolle über das Geschehen. Entscheidend ist allerdings auch hier, dass sie in Wahrheit Ulysses jederzeit treu war und ist. Und hier schließt sich ungeachtet der Subjektivierungstendenzen, die das Stück vom antiken Text abheben, der Kreis zu jenem: Die Treue der Gemahlinnen, hier vorgeführt an Penelope ebenso wie an Orisbe, sind die nicht verhandelbare Be- dingung innerhalb eines Liebesdiskurses, der den weiblichen Figuren auf dem Feld der Liebe ansonsten einen bemerkenswerten Handlungsspielraum gewährt. Damit passt auch die Penelope des frühneuzeitlichen Singspiels ins Paradigma der tugendhaften Ehefrau, das unter anderem mit Homers Figur wirkungsmächtig etabliert worden war. An den männlichen Figuren werden dagegen die destabilisierenden Folgen mangelnder Affektbeherrschung vorgeführt. Sowohl Ulysses in seinem Eifersuchtswahn als auch der für die falsche Frau entflammte Acrisio belegen exemplarisch, dass leidenschaftli- che Liebe als unberechenbarer Affekt der Einhegung durch die Vernunft bedarf, um ihr zerstörerisches Potenzial zu bändigen. So zeigt sich auch hier das Paradoxale des im fiktionalen Kunstwerk der Frühen Neuzeit geführten Liebesdiskurses: Einerseits leistet dieser Diskurs Tendenzen der In- dividualisierung und Subjektivierung Vorschub, andererseits ist er auf die Kontrolle und Einhegung der Leidenschaft gerichtet, im Zweifel auch zuungunsten des »liebenden« Subjektes, das seine Bedürfnisse mit dem Gemeinwohl zu vermitteln hat und den Zwie- spalt zwischen Passion und Vernunft durch Affektkontrolle zu lösen aufgefordert ist. Auf dieser Ebene vermittelt das Penelope-Singspiel  – wie zahlreiche andere auch  – ein normatives Modell höfischen Verhaltens.
zurück zum  Buch Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa - Hof – Oper – Architektur"
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa Hof – Oper – Architektur
Titel
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa
Untertitel
Hof – Oper – Architektur
Autoren
Margret Scharrer
Heiko Laß
Herausgeber
Matthias Müller
Verlag
Heidelberg University Publishing
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-SA 4.0
ISBN
978-3-947732-36-4
Abmessungen
19.3 x 26.0 cm
Seiten
618
Schlagwörter
Kunstgeschichte, Architektur, Oper, art history, architecture, opera
Kategorie
Kunst und Kultur
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Musiktheater im höfischen Raum des frühneuzeitlichen Europa