Seite - 15 - in Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
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sollen, kritisch mit Produkten der Geschichtskultur umzugehen. In diesem
Sinnewohnt demBegriff »Mythos« ein Potenzial inne, das imKonzept »Nar-
rativ«indieserWeisenichtvorhandenist,auchweilderBegriff»Narrativ«inder
populärenGeschichtskultur kaumeineRolle spielt. So ist es aus Sicht derGe-
schichtsdidaktikundderSchulbuchforschungfruchtbar,dasKonzept»Mythos«
ineinerWeisezubeleuchten,diepotenziell fürdieAnbahnungvonreflektierten
und(selbst-)reflexivenGeschichtsbewusstseinfruchtbargemachtwerdenkann.
Dies ist einZieldesvorliegendenBeitrags.
Forschungsfeld
Mythen und die wissenschaftlich-theoretische Auseinandersetzungmit ihnen
sind ein Forschungsfeld, das spätestens seit den 1950er Jahren steteAufmerk-
samkeitaufsichzieht.VonderErstausgabevonLevi-Stauss’»Mythologies«1964
bis zu ihrer vervollständigten Neuauflage und deutschenÜbersetzung 2008
spannt sich einweiterBogen, innerhalbdessendie FragenachBedeutungund
Funktionsweise vonMythen immer wieder und aus unterschiedlichen Blick-
winkeln gestellt wurde. So hatRolandBarthes aus der Sicht der Semiotik den
Mythos als Mitteilungs- und Bedeutungssystem aufgefasst, die Enthistorisie-
rung unddamitUnantastbarkeit desMythosmit denMitteln der Sprache be-
schrieben.
Claude L8vi-Strauss blickte in den 1970er Jahrenmit denMitteln der An-
thropologie aufdie strukturelleVerfasstheit undkulturelleBedeutungdesMy-
thos.Ermachtedaraufaufmerksam,dassdieGrundelementevonMythenstets
AntagonismenwieNaturundKulturoderGutundBösethematisieren,dieallen
Gesellschaften zu eigen sind. Diese Elemente oderMytheme sind über Zeiten
und Räume hinweg rekombinierbar und hierin drücken sich interkulturelle
Gemeinsamkeiten desmythischenErzählens aus.22Diesmacht zudemdie Po-
lyvalenz desMythos aus. Diese strukturelle Betrachtungsweise, die die inter-
kulturellenGemeinsamkeiten derMythen betont,macht das Thema auch be-
sondersanschlussfähig fürdieKulturwissenschaften.
AusreligionswissenschaftlicherPerspektiveordneteMirceaEliademythische
ErzählungendemSakralen zu. Sie betreffendie existenziellenGrundlagenvon
Gesellschaften undwerden als unantastbare oder heiligeGeschichten nicht in
Zweifel gezogen.Das erklärt auchdieAktualität desMythos ineiner sichweit-
gehendalsnachmythisch, aufgeklärtundrationalverstehendenModerne.23
22 Claude L8vi-Strauss, Mythologica I–IV, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2008; (Paris
1964–71).
23 MirceaEliade,DasHeiligeunddasProfane.VomWesendesReligiösen, FrankfurtamMain:
Was ist einhistorischerMythos? 15
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Buch Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag"
Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Titel
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Untertitel
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Autoren
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Herausgeber
- Christoph Kühberger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 294
- Kategorie
- Lehrbücher