Seite - 78 - in Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern - Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
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Sprache eine engeVerbindung vonDeutschenundGermanen annehmenwer-
den.NebenvergleichsweisenüchternenDarstellungen91 ist in einigenweit ver-
breiteten Schulbüchern der jungenBundesrepublik die Bewertung derVarus-
schlacht als Rettung der germanischenKultur vor der Romanisierung immer
nochanzutreffen.Soheißt es imGeschichtlichenUnterrichtswerkausderFeder
vonRobertHermannTenbrockundHansErichStier:
ImSpätherbst9n.Chr.gelangesdiesem[Armin] imTeutoburgerWald(vermutlichin
derGegend südlichPyrmont) diedreiElitelegionendesVarus indreitägigemKampf
nichtzuschlagen,sondernzuvernichten.DiesesVeteranenheerkonnteausdenKräften
Italiens nicht ersetzt werden, obwohl der pannonische Aufstand kurz zuvor nieder-
geworfenwar. SomußteAugustus auf die Elblinie verzichtenunddie schwieriger zu
verteidigendeRhein-Donau-Liniewählen.DieRheinlandewurdenzumStandort der
stärkstenHeeresmacht des römischenWeltreiches, was zu ihrer Blüte erheblich bei-
trug.AberGermanienbliebfreiunddasGermanentumalsselbstständigeGrößeneben
derrömischenWelterhalten.VergeblichversuchtenachAugustus’TodderKronprinz
Germanicus, der SohndesDrusus, indrei FeldzügengegenArmindieEntscheidung
des Jahres9 rückgängig zumachen.92
Manmussnurdashiernichtausgesprochene,aberdamalsverbreitetemythische
Basisnarrativ teilen,93dass dieGermanendieVorfahrenderDeutschenwaren,
umwieder in den Schoß desMythos vom rettenden Sieg 9 n.Chr. zurückzu-
kehren.GanzähnlichformulierteinesdererfolgreichstenBücherder1950erund
1960er Jahre:
Durch ihren Sieg imTeutoburgerWald entgingen die Germanen demSchicksal der
RomanisierungundkonntenweiterihreigenesWesenentfalten.Allerdingsfehlteihnen
nun auch der Anreiz, sichmit einer höheren Kultur auseinanderzusetzen, dadurch
gelangtensie erst spät zuweltgeschichtlicherBedeutung.94
91 KarlWatermann(Bearb.),Maier-SchirmeyerLehrbuchderGeschichte fürdieOberstufehö-
herer Schulen,Bd.1:AusderaltenWelt,Bonn:Verlag JohannesBorgmeyer, 1951, 135.
92 Robert Hermann Tenbrock undHans Erich Stier,Geschichtliches Unterrichtswerk. Urzeit
undAltertumbis zudenKarolingern,Oberstufe I, Paderborn: FerdinandSchöningh, 1956,
165.
93 Zum Begriff Basisnarrativ siehe: Peter Gautschi, Markus Bernhardt und Ulrich Mayer,
»GuterGeschichtsunterricht –Prinzipien«, in:MicheleBarricelli undMartinLücke (Hg.),
Handbuch Praxis Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag, 2012, 326–
348, 332–334.
94 Karl Leonhardt und Gerhard Bonwetsch (Bearb.), Grundriss der Geschichte. Kletts Ge-
schichtliches Unterrichtswerk, Ausgabe B, Band I, Stuttgart: Klett, 1956, 139f.; nach Falk
Pingel einesder erfolgreichstenSchulbücher imersten JahrzehntderBundesrepublik, vgl.
Ders., »Geschichtslehrbücher zwischenKaiserreichundGegenwart«, in: VerbandderGe-
schichtslehrerdurchPaulLeidinger(Hg.),GeschichtsunterrichtundGeschichtsdidaktikvom
KaiserreichbiszurGegenwart.FestschriftdesVerbandesderGeschichtslehrerzum75jährigem
Bestehen, Stuttgart:Klett, 1988, 242–260, 251.
BjörnOnken78
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY
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Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Titel
- Mythen in deutschsprachigen Geschichtsschulbüchern
- Untertitel
- Von Marathon bis zum Élyseée-Vertrag
- Autoren
- Roland Bernhard
- Susanne Grindel
- Felix Hinz
- Herausgeber
- Christoph Kühberger
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0686-6
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 294
- Kategorie
- Lehrbücher