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– Doch kommen wir zurück: das Problem vom andren Ursprung des »Guten«,
vom Guten, wie ihn der Mensch des Ressentiment sich ausgedacht hat,
verlangt nach seinem Abschluss. – Dass die Lämmer den grossen Raubvögeln
gram sind, das befremdet nicht: nur liegt darin kein Grund, es den grossen
Raubvögeln zu verargen, dass sie sich kleine Lämmer holen. Und wenn die
Lämmer unter sich sagen »diese Raubvögel sind böse; und wer so wenig als
möglich ein Raubvogel ist, vielmehr deren Gegenstück, ein Lamm, – sollte
der nicht gut sein?« so ist an dieser Aufrichtung eines Ideals Nichts
auszusetzen, sei es auch, dass die Raubvögel dazu ein wenig spöttisch blicken
werden und vielleicht sich sagen: »wir sind ihnen gar nicht gram, diesen
guten Lämmern, wir lieben sie sogar: nichts ist schmackhafter als ein zartes
Lamm.« – Von der Stärke verlangen, dass sie sich nicht als Stärke äussere,
dass sie nicht ein Überwältigen-Wollen, ein Niederwerfen-Wollen, ein
Herrwerden-Wollen, ein Durst nach Feinden und Widerständen und
Triumphen sei, ist gerade so widersinnig als von der Schwäche verlangen,
dass sie sich als Stärke äussere. Ein Quantum Kraft ist ein eben solches
Quantum Trieb, Wille, Wirken – vielmehr, es ist gar nichts anderes als eben
dieses Treiben, Wollen, Wirken selbst, und nur unter der VerfĂĽhrung der
Sprache (und der in ihr versteinerten GrundirrthĂĽmer der Vernunft), welche
alles Wirken als bedingt durch ein Wirkendes, durch ein »Subjekt« versteht
und missversteht, kann es anders erscheinen. Ebenso nämlich, wie das Volk
den Blitz von seinem Leuchten trennt und letzteres als Thun, als Wirkung
eines Subjekts nimmt, das Blitz heisst, so trennt die Volks-Moral auch die
Stärke von den Äusserungen der Stärke ab, wie als ob es hinter dem Starken
ein indifferentes Substrat gäbe, dem es freistünde, Stärke zu äussern oder auch
nicht. Aber es giebt kein solches Substrat; es giebt kein »Sein« hinter dem
Thun, Wirken, Werden; »der Thäter« ist zum Thun bloss hinzugedichtet, –
das Thun ist Alles. Das Volk verdoppelt im Grunde das Thun, wenn es den
Blitz leuchten lässt, das ist ein Thun-Thun: es setzt dasselbe Geschehen
einmal als Ursache und dann noch einmal als deren Wirkung. Die
Naturforscher machen es nicht besser, wenn sie sagen »die Kraft bewegt, die
Kraft verursacht« und dergleichen, – unsre ganze Wissenschaft steht noch,
trotz aller ihrer KĂĽhle, ihrer Freiheit vom Affekt, unter der VerfĂĽhrung der
Sprache und ist die untergeschobenen Wechselbälge, die »Subjekte« nicht
losgeworden (das Atom ist zum Beispiel ein solcher Wechselbalg, insgleichen
das Kantische »Ding an sich«): was Wunder, wenn die zurückgetretenen,
versteckt glimmenden Affekte Rache und Hass diesen Glauben fĂĽr sich
ausnĂĽtzen und im Grunde sogar keinen Glauben inbrĂĽnstiger aufrecht erhalten
als den, es stehe dem Starken frei, schwach, und dem Raubvogel, Lamm zu
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Zur Genealogie der Moral
- Titel
- Zur Genealogie der Moral
- Autor
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 148
- Kategorie
- Geisteswissenschaften