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Zur Genealogie der Moral
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14 – Will Jemand ein wenig in das Geheimniss hinab und hinunter sehn, wie man auf Erden Ideale fabrizirt? Wer hat den Muth dazu?… Wohlan! Hier ist der Blick offen in diese dunkle Werkstätte. Warten Sie noch einen Augenblick, mein Herr Vorwitz und Wagehals: Ihr Auge muss sich erst an dieses falsche schillernde Licht gewöhnen… So! Genug! Reden Sie jetzt! Was geht da unten vor? Sprechen Sie aus, was Sie sehen, Mann der gefährlichsten Neugierde – jetzt bin ich der, welcher zuhört. – – »Ich sehe Nichts, ich höre um so mehr. Es ist ein vorsichtiges tückisches leises Munkeln und Zusammenflüstern aus allen Ecken und Winkeln. Es scheint mir, dass man lügt; eine zuckrige Milde klebt an jedem Klange. Die Schwäche soll zumVerdienste umgelogen werden, es ist kein Zweifel – es steht damit so, wie Sie es sagten.« – – Weiter! – »Und die Ohnmacht, die nicht vergilt, zur »Güte«; die ängstliche Niedrigkeit zur »Demuth«; die Unterwerfung vor Denen, die man hasst, zum »Gehorsam« (nämlich gegen Einen, von dem sie sagen, er befehle diese Unterwerfung, – sie heissen ihn Gott). Das Unoffensive des Schwachen, die Feigheit selbst, an der er reich ist, sein An-der-Thür-stehn, sein unvermeidliches Warten-müssen kommt hier zu guten Namen, als »Geduld«, es heisst auch wohl die Tugend; das Sich-nicht-rächen-Können heisst Sich- nicht-rächen-Wollen, vielleicht selbst Verzeihung (»denn sie wissen nicht, was sie thun – wir allein wissen es, was sie thun!«). Auch redet man von der »Liebe zu seinen Feinden« – und schwitzt dabei.« – Weiter! – »Sie sind elend, es ist kein Zweifel, alle diese Munkler und Winkel- Falschmünzer, ob sie schon warm bei einander hokken – aber sie sagen mir, ihr Elend sei eine Auswahl und Auszeichnung Gottes, man prügele die Hunde, die man am liebsten habe; vielleicht sei dies Elend auch eine Vorbereitung, eine Prüfung, eine Schulung, vielleicht sei es noch mehr – Etwas, das einst ausgeglichen und mit ungeheuren Zinsen in Gold, nein! in Glück ausgezahlt werde. Das heissen sie »die Seligkeit.« – Weiter! – »Jetzt geben sie mir zu verstehen, dass sie nicht nur besser seien als die Mächtigen, die Herrn der Erde, deren Speichel sie lecken müssen (nicht aus Furcht, ganz und gar nicht aus Furcht! sondern weil es Gott gebietet, alle Obrigkeit zu ehren) – dass sie nicht nur besser seien, sondern es auch »besser hätten«, jedenfalls einmal besser haben würden. Aber genug! genug! Ich halte es nicht mehr aus. Schlechte Luft! Schlechte Luft! Diese Werkstätte, wo man Ideale fabrizirt – mich dünkt, sie stinkt vor lauter Lügen.«
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Zur Genealogie der Moral
Titel
Zur Genealogie der Moral
Autor
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Datum
1887
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.0 cm
Seiten
148
Kategorie
Geisteswissenschaften

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorrede 2
  2. Erste Abhandlung: »Gut und Böse«, »Gut und Schlecht« 10
  3. Zweite Abhandlung: »Schuld«, »schlechtes Gewissen« und Verwandtes 40
  4. Dritte Abhandlung: was bedeuten asketische Ideale? 84
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