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und Einer Jüdin (vor Jesus von Nazareth, dem Fischer Petrus, dem
Teppichwirker Paulus und der Mutter des anfangs genannten Jesus, genannt
Maria). Dies ist sehr merkwürdig: Rom ist ohne allen Zweifel unterlegen.
Allerdings gab es in der Renaissance ein glanzvoll-unheimliches
Wiederaufwachen des klassischen Ideals, der vornehmen Werthungsweise
aller Dinge: Rom selber bewegte sich wie ein aufgeweckter Scheintodter
unter dem Druck des neuen, darüber gebauten judaisirten Rom, das den
Aspekt einer ökumenischen Synagoge darbot und »Kirche« hiess: aber sofort
triumphirte wieder Judäa, Dank jener gründlich pöbelhaften (deutschen und
englischen) Ressentiments-Bewegung, welche man die Reformation nennt,
hinzugerechnet, was aus ihr folgen musste, die Wiederherstellung der Kirche,
– die Wiederherstellung auch der alten Grabesruhe des klassischen Rom. In
einem sogar entscheidenderen und tieferen Sinne als damals kam Judäa noch
einmal mit der französischen Revolution zum Siege über das klassische Ideal:
die letzte politische Vornehmheit, die es in Europa gab, die des siebzehnten
und achtzehnten französischen Jahrhunderts brach unter den volksthümlichen
Ressentiments-Instinkten zusammen, – es wurde niemals auf Erden ein
grösserer Jubel, eine lärmendere Begeisterung gehört! Zwar geschah mitten
darin das Ungeheuerste, das Unerwartetste: das antike Ideal selbst
trat leibhaftund mit unerhörter Pracht vor Auge und Gewissen der
Menschheit, – und noch einmal, stärker, einfacher, eindringlicher als je,
erscholl, gegenüber der alten Lügen-Losung des Ressentiment vom Vorrecht
der Meisten, gegenüber dem Willen zur Niederung, zur Erniedrigung, zur
Ausgleichung, zum Abwärts und Abendwärts des Menschen die furchtbare
und entzückende Gegenlosung vom Vorrecht der Wenigsten! Wie ein letzter
Fingerzeig zum andren Wege erschien Napoleon, jener einzelnste und
spätestgeborne Mensch, den es jemals gab, und in ihm das fleischgewordne
Problem des vornehmen Ideals an sich – man überlege wohl, was es für ein
Problem ist: Napoleon, diese Synthesis von Unmensch und Übermensch…
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Zur Genealogie der Moral
- Titel
- Zur Genealogie der Moral
- Autor
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 148
- Kategorie
- Geisteswissenschaften