Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geisteswissenschaften
Zur Genealogie der Moral
Seite - 91 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 91 - in Zur Genealogie der Moral

Bild der Seite - 91 -

Bild der Seite - 91 - in Zur Genealogie der Moral

Text der Seite - 91 -

5 – Was bedeuten also asketische Ideale? Im Falle eines Künstlers, wir begreifen es nachgerade: gar Nichts!… Oder so Vielerlei, dass es so gut ist wie gar Nichts!… Eliminiren wir zunächst die Künstler: dieselben stehen lange nicht unabhängig genug in der Welt und gegen die Welt, als dass ihre Werthschätzungen und deren Wandel an sich Theilnahme verdiente! Sie waren zu allen Zeiten Kammerdiener einer Moral oder Philosophie oder Religion; ganz abgesehn noch davon, dass sie leider oft genug die allzugeschmeidigen Höflinge ihrer Anhänger- und Gönnerschaft und spürnasige Schmeichler vor alten oder eben neu heraufkommenden Gewalten gewesen sind. Zum Mindesten brauchen sie immer eine Schutzwehr, einen Rückhalt, eine bereits begründete Autorität: die Künstler stehen nie für sich, das Alleinstehn geht wider ihre tiefsten Instinkte. So nahm zum Beispiel Richard Wagner den Philosophen Schopenhauer, als »die Zeit gekommen war«, zu seinem Vordermann, zu seiner Schutzwehr: – wer möchte es auch nur für denkbar halten, dass er den Muth zu einem asketischen Ideal gehabt hätte, ohne den Rückhalt, den ihm die Philosophie Schopenhauer’s bot, ohne die in den siebziger Jahren in Europa zum Übergewicht gelangende Autorität Schopenhauer’s? (dabei noch nicht in Anschlag gebracht, ob im neuenDeutschland ein Künstler ohne die Milch frommer, reichsfrommer Denkungsart überhaupt möglich gewesen wäre). – Und damit sind wir bei der ernsthafteren Frage angelangt: was bedeutet es, wenn ein wirklicher Philosoph dem asketischen Ideale huldigt, ein wirklich auf sich gestellter Geist wie Schopenhauer, ein Mann und Ritter mit erzenem Blick, der den Muth zu sich selber hat, der allein zu stehn weiss und nicht erst auf Vordermänner und höhere Winke wartet? – Erwägen wir hier sofort die merkwürdige und für manche Art Mensch selbst fascinirende Stellung Schopenhauer’s zur Kunst: denn sie ist es ersichtlich gewesen, um derentwillen zunächst Richard Wagner zu Schopenhauer übertrat (überredet dazu durch einen Dichter, wie man weiss, durch Herwegh), und dies bis zu dem Maasse, dass sich damit ein vollkommner theoretischer Widerspruch zwischen seinem früheren und seinem späteren ästhetischen Glauben aufriss, – ersterer zum Beispiel in »Oper und Drama« ausgedrückt, letzterer in den Schriften, die er von 1870 an herausgab. In Sonderheit änderte Wagner, was vielleicht am meisten befremdet, von da an rücksichtslos sein Urtheil über Werth und Stellung der Musik selbst: was lag ihm daran, dass er bisher aus ihr ein Mittel, ein Medium, ein »Weib« gemacht hatte, das schlechterdings eines Zweckes, eines Manns bedürfe um zu gedeihn – nämlich des Drama’s! Er begriff mit Einem Male, dass mit der Schopenhauer’schen Theorie und Neuerung mehr zu machen sei in majorem musicae gloriam, – nämlich mit
zurĂĽck zum  Buch Zur Genealogie der Moral"
Zur Genealogie der Moral
Titel
Zur Genealogie der Moral
Autor
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Datum
1887
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.0 cm
Seiten
148
Kategorie
Geisteswissenschaften

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorrede 2
  2. Erste Abhandlung: »Gut und Böse«, »Gut und Schlecht« 10
  3. Zweite Abhandlung: »Schuld«, »schlechtes Gewissen« und Verwandtes 40
  4. Dritte Abhandlung: was bedeuten asketische Ideale? 84
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Zur Genealogie der Moral